Container-Lager Curslack II muss schließen

Hamburg, den 10.7.2022

Notunterkunft Container-Lager Curslacker Neuer Deich muss endlich und SOFORT schließen!

Die Container-Notunterkunft Curslack II, Curslacker Neuer Deich 57 wurde Ende 2012 durch die Stadt Hamburg beschlossen, 2013 mit zunächst 5 zweistöckigen Containerhäusern auf dem Gelände des ehemaligen Bergedorfer Klärwerks errichtet und 2015 um 4 weitere Container-Häuser erweitert. Entsprechend der Beschlusslage und der Wortbedeutung war die „Notunterkunft“ eigentlich nur für eine übergangsweise „behelfsmäßige“ Zwischennutzung vorgesehen, wurde aber immer wieder verlängert. Der ursprüngliche Mietvertrag der Stadt Hamburg für das Gelände war bis 2016 befristet – die primären Mietzeiträume der Container betrugen 18 Monate. Die vermietende Containerfirma CHS-Container aus Bremen vermerkte in ihrem Mietvertrag mit der Betreibergesellschaft „Fördern und Wohnen AöR“ (F&W) hierzu ausdrücklich: „Die Eignung der Container(-anlage) für den geplanten Verwendungszweck kann von uns nicht beurteilt werden; wir übernehmen insofern dafür keine Gewähr.“

Im Frühjahr 2021 verkündete die Sozialbehörde der Stadt dem Bergedorfer Sozialausschuss, die Notunterkunft Ende 2021 schließen zu wollen – stattdessen wurde die Nutzung aber um 2 weitere Jahre bis 2023 verlängert. Anfang des Jahres 2022 (Stichtag: 04.01.2022) lebten nach Angaben der Bezirksverwaltung Bergedorf 262 Personen in der Wohnunterkunft Curslack II. Darunter waren 146 Familien. Von diesen leben 33 Familien bereits länger als 3 Jahre, zumindest 1 Familie bereits 8 Jahre in der Unterkunft.

Die Betreibergesellschaft der „Notunterkunft“ beschreibt das Objekt auf ihrer Homepage vollmundig als „Wohnunterkunft“ und unterschlägt damit mutwillig, dass es sich hierbei nur um eine behelfsmäßige Zwischenlösung handelt, die mit ihren kleinen, schlauchförmigen „Doppelzimmern“ von ca. 2x5m nicht einmal den eigenen Standards für eine angemessene Wohnunterkunft in ihrem Verantwortungsbereich (7,5m2 pro Person) entspricht. Diese Zimmeraufteilung ist aufgrund der Enge schon für Einzelpersonen ungeeignet – für Familien ist sie darüber hinaus unzumutbar. Die engen Zimmer fehlt es über den bloßen Schlafplatz hinaus an individuellem und familiärem Lebensraum. Für den Alltag außerhalb des Betts bleiben nur Küchen, Sanitär-, Verkehrs- und Außenbereiche. Eltern haben keinen Raum für sich, weil sichere Kinderzimmer fehlen.

Die Eingangstüren zu den Häusern waren in Ermangelung von Haustürschlüsseln jahrelang nicht abschließbar und konnten wegen außenseitiger starrer Türknaufe nicht einmal geschlossen werden, sodass diese Türen selbst im Winter maximal angelehnt werden konnten. U.a. deswegen beklagten Anwohner*innen immer wieder, dass die Sicherheit von Kindern und Familien in der Containerunterkunft Neuer Deich seit Jahren katastrophal ist. Die Containerhäuser selbst befinden sich direkt am gepflasterten Zugangsweg. Kinder können aufgrund der nicht schließbaren jederzeit – und möglicherweise auch unbeobachtet – direkt auf den Zufahrtsweg laufen. Auf der anderen Seite kann jeder von außen in diese Containerhäuser eindringen, und es wurde immer wieder auch über entsprechende Fälle von Belästigungen von Frauen berichtet, ohne dass die Betreibergesellschaft entsprechend Abhilfe geschaffen hätte.

Erst jetzt im Nachgang des tragischen Unfalls am 24.6.22, bei dem der erst 18 Monate alte Daniel von einem Kastenwagen rückwärts überrollt und getötet wurde, hatte es die  Betreiberin eilig einen Sicherheitsdienst zu engagieren und Schlüssel für die Eingangstüren der Containerhäuser ausgegeben.

Neben den strukturellen Mängeln bei der Auswahl der Container, deren Aufstellung jeweils direkt am Zugangsweg, den fehlenden Abtrennungen der Spielplätze vom Zugangsweg, der fehlenden Kontrolle der Zufahrt auf das Gelände und dem – erstaunlicherweise überhaupt erst seit der pandemiebedingten Aussetzung der Schulpflicht „festgestellten“ – Fehlen von Internetzugängen in den metallisch isolierenden Stahlcontainern, sind die Containerbauten selbst über die lange Nutzungszeit marode geworden. Der Fußbodenunterbau bricht an vielen Stellen einfach durch und die Menschen werden nur noch durch den aufgebrachten Fußbodenbelag vom Durchbrechen in den Untergrund abgehalten. Die Gemeinschaftsküchen und –toiletten sind über die Jahre verschlissen, Wände durch eindringende Feuchtigkeit beschädigt, Duschzellen nicht funktionstüchtig und WCs defekt. In einem Familien-Zimmer hängt die Steckdose neben der Tür mit offenen Drähten von der Wand.

Das Hamburger Abendblatt berichtete am 22.2.2022 unter der Überschrift „Marodes Containerdorf in Bergedorf wird saniert“ folgendes: „Die Böden sind wellig, die Wände feucht, und manche Toilette ist defekt: Es kostet schon ein bisschen Überwindung, in der Flüchtlingsunterkunft am Curslacker Neuen Deich 57 zu wohnen“. Die Hamburger Behörde für Arbeit, Gesundheit, Soziales, Familie und Integration (Sozialbehörde) berichtet daraufhin am 17.3.22 gegenüber dem Hauptausschuss der Bezirksversammlung Bergedorf:

„Die Gebäude, insbesondere die Sanitärräume und Küchen, werden deshalb abschnittsweise saniert. Dabei sind folgende Sanierungsarbeiten geplant:

  • Die Erneuerung beschädigter Fußböden in allen Sanitärbereichen und in einzelnen Zimmern der Bewohnerinnen und Bewohner. Die Unterkonstruktion wird entfernt und neu aufgebaut, anschließend wird ein neuer Bodenbelag aufgebracht.
  • Die Erneuerung der  Wandteile hinter den Waschbecken, die durch eindringende Feuchtigkeit beschädigt sind.
  • Die Reparatur der Duschzellen.
  • Der Ersatz defekter WCs.

Während der Baumaßnahmen werden die Bewohnerinnen und Bewohner im jeweils zu sanierenden Bereich verlegt.

Weiterhin ist geplant, WLAN-Empfang bis in die Zimmer der Bewohnerinnen und Bewohner einzurichten.“

2 Monate später titelt das Hamburger Abendblatt am 4.5.2022 erneut „Ist das Hamburgs marodeste Flüchtlingsunterkunft?“ und fragte weiter nach: „Muss sich der Bezirk schämen? Ist die Unterbringung von Flüchtlingen noch menschenwürdig in den maroden Containern am Curslacker Neuen Deich 57? »Es ist einer der prekärsten Standorte in dieser Stadt«, sagte Imme Stoffers, Bereichsleiterin für Bergedorf beim Betreiber fördern & wohnen.“ und weiter: „Curslacker Neuer Deich 57: Container sind rott und viel zu eng – Tatsächlich ist es nicht nur alt und rott, sondern vor allem eng in den Containern: Gerade ebenso kommt die Frau zwischen Kleiderschrank und Kinderbett durch, um sich auf das zweite Bett zu legen: »Hier wohne ich seit drei Jahren und zwei Monaten mit meinen drei Kindern«, sagt eine Nigerianerin und hebt die Schultern: »Was soll ich machen? Es gibt keine andere Chance.«“

Tatsächlich hat es bis heute keine solche Sanierungsarbeiten gegeben – die Zustände, die wir Anfang Juli 2022 in der Notunterkunft vorgefunden und dokumentiert haben, sind immer noch genauso, wie sie schon vor Monaten angeblichen Anlass zur „Sanierung“ gegeben haben. Eine Sanierung ist darüber hinaus ohnehin ungeeignet, die v.a. strukturellen Mängel für eine menschenwürdige Unterbringung zu beseitigen!

An dieser Stelle sei angemerkt, dass der Beschluss der Stadt Hamburg zur Verlängerung der Laufzeit der Notunterkunft und deren deswegen notwendigen Sanierung bereits vor dem Ausbruch des Ukraine-Krieges am 24.2.2022 getroffen wurde und dass danach auch keine Geflüchteten aus der Ukraine in diese „Notunterkunft“ zugewiesen wurden. Stattdessen hat die Stadt im Zuge der Aufnahme ukrainischer Geflüchteter bewiesen, dass es ihr sehr wohl möglich ist, Geflüchtete menschenwürdig unterzubringen. Bei den Geflüchteten in der maroden Notunterkunft Curslack II handelt es sich dagegen um Afghanische Ortskräfte, Syrer*innen und afrikanische Familien.

Wir fordern deswegen die Stadt Hamburg und die Betreibergesellschaft Fördern & Wohnen dazu auf, das unsägliche Container-Lager Curslack II umgehend zu schließen!

Diese Container sind weder für eine menschenwürdige, noch für eine dauerhafte Unterbringung von Menschen geeignet und durch die überlange Nutzung verottet. Man sollte das tragische Ereignis des Todes eines kleinen Kindes in diesem Lager zum Anlass nehmen, um im Interesse aller Beteiligten nun endlich einen Schlussstrich unter die menschenverachtende Nutzungsverlängerungspraxis der unhaltbaren Zustände in der Dauer-Not-Unterkunft zu ziehen.

CONTAINER-LAGER CURSLACK II SCHLIESSEN!

MENSCHENWÜRDE IST KEIN PRIVILEG!

SICHERHEIT & PRIVATSPHÄRE SIND MENSCHENRECHT!

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Quellen:

Transparenzportal Hamburg: https://suche.transparenz.hamburg.de/dataset?q=fl%C3%BCchtlinge+unterkunft&groups=soziales&sort=publishing_date+asc%2Ctitle_sort+asc&extras_registerobject_type=vertrageoffinteress

Fördern & Wohnen: https://www.foerdernundwohnen.de/unternehmen/standorte/

Deutsches Architektenblatt: https://www.dabonline.de/2015/03/30/schlafplatz-statt-lebensraum-fluechtlinge-unterkunft-unterbringung-asylsuchende-bauen-im-bestand-modernisierung-container-integration-wohnen-modulbau-altbau-sanierung-baugesetzbuch/

Hamburger Abendblatt: https://www.abendblatt.de/hamburg/bergedorf/article232048075/Sozialbehoerde-erwaegt-das-Aus-fuer-diese-Unterkunft.html | https://www.abendblatt.de/hamburg/bergedorf/article234634523/Marodes-Containerdorf-in-Bergedorf-wird-saniert.html | https://www.abendblatt.de/hamburg/bergedorf/article235255667/Ist-das-Hamburgs-marodeste-Fluechtlingsunterkunft.html

Bezirksversammlung Bergedorf: https://sitzungsdienst-bergedorf.hamburg.de/bi/vo020.asp?VOLFDNR=1006515