20. Jahrestag der Ermordung von Bruder Achidi John am UKE

20. Jahrestag der Ermordung von Bruder Achidi John am UKE

DE – EN (below)

PDF – Kundgebungsaufruf

Am 9. Dezember 2001 wurde unser Bruder Achidi John (Michael Paul Nwabuisi) am Institut für Rechtsmedizin des Hamburger UKE von Dr. Ute Lockemann und mehreren Polizeibeamten durch die Anwendung der Brechmittelfolter brutal ermordet. Bruder Achidi John wehrte sich in Todesangst gegen die zwangsweise Einflößung des Brechmittels Ipecacuanha und warnte seine Mörder*innen mehrfach und eindringlich mit den Worten: „I will die!“. Bruder Achidi John wurde von insgesamt 5(!) Polizisten brutal fixiert, während die Ärztin Dr. Lockemann mehrfach versuchte, eine Magensonde durch seine Nase einzuführen, um dann 30ml Brechmittel und 800ml Wasser zwangsweise in ihn hineinzupumpen. Als Bruder Achidi John durch das Einflößen dieser Menge an Flüssigkeiten in seine Lungen das Bewusstsein verlor, ins Koma fiel und starb, unternahmen seine Peiniger*innen nichts und unterstellten ihm stattdessen, er würde sein Sterben nur „simulieren“. Erst nachdem eine anwesende Medizinstudentin keinen Puls mehr fühlen konnte und intervenierte, wurde ein Reanimationsteam des UKE hinzugerufen, die sein Leben allerdings nicht mehr retten konnten. Bruder Achidi John wurde notfallmäßig zur intensivmedizinischen Alibi-Behandlung und zur Vertuschung der Nachweismöglichkeit der Einflößung des Brechmittels in seine Lungen noch 3 weitere Tage maschinell „beatmet“. Die behandelnden Intensivmediziner gaben der Anwältin der Familie zu verstehen, dass ihnen quasi ein Leichnam zur „Behandlung“ übergeben worden war. Am 12. Dezember 2001 wurde der Leichnam dann offiziell für hirntot erklärt und die Beatmungsmaschine abgestellt.

Bis heute ist niemand der Beteiligten für die Ermordung unseres Bruders Achidi John zur Verantwortung gezogen worden – ganz im Gegenteil: der Ermordete wurde per Sektionsdiagnose eines angeblichen Herzfehlers quasi selbst für seinen eigenen Tod verantwortlich gemacht. Keiner der verantwortlich handelnden, anordnenden und ermöglichenden Personen, Institutionen oder Behördenvertreter*innen hat sich bisher bei der Familie des brutal Getöteten entschuldigt oder gar die offensichtliche Verantwortung für den gewaltsamen Tod von Bruder Achidi John übernommen. Alle Beteiligten sind nicht nur unbehelligt in Amt und Würden verblieben, sondern stiegen allesamt trotz oder gerade wegen ihrer Beteiligung in ihren Karriereleitern auf. Der prominenteste Aufsteiger ist der gerade frisch gewählte Bundeskanzler Olaf Scholz, der die Brechmittelfolter im Juni 2001 als damalig zwischenzeitlicher Innensenator in Hamburg offiziell und entgegen schwerwiegender medizin-ethischer, juristischer und menschenrechtlicher Bedenken zu Wahlkampfzwecken einführte. Die tötende Ärztin Dr. Ute Lockemann stieg im Institut für Rechtsmedizin zur Professorin auf und der Leiter Prof. Dr. Klaus Püschel erhielt die Durchführung der Brechmittelfolter an seinem Institut bis zu seiner Pensionierung im November 2020 trotz eindeutiger Beschlüsse der Bundesärztekammer und der Hamburger Ärztekammer und entgegen der Medizinethik und den einschlägigen ärztlichen Sorgfaltspflichten aufrecht, ohne irgendwelche Konsequenzen fürchten zu müssen.

Der systemisch institutionalisierte Rassismus der Brechmittelfolter, die durch Olaf Scholz in Hamburg trotz weitreichender medizinischer Risiken und rechtlicher Bedenken eingeführt wurde, spiegelt sich schon darin wieder, dass die „Zielgruppe“ der Maßnahme v.a. Menschen Afrikanischer Herkunft in der sog. „öffentlich wahrnehmbaren Drogenkriminalität“ waren, obwohl Experten in der Drogenkriminalitätsbekämpfung den „Marktanteil“ dieses Sektors mit lediglich um die 5% des gesamten Hamburger Drogenhandels beziffern. Die Law & Order-Maßnahme ist damit eindeutig populistischer Natur und grundsätzlich nicht geeignet, das Problem der Drogenkriminalität in Hamburg tatsächlich oder effektiv zu bekämpfen. Sie appelliert an eine selektive Wahrnehmung in einem rassistischen Konsens und wurde in ihrer Menschenverachtung und Tötungsbereitschaft nur deswegen beschlossen und exekutiert, weil als Zielgruppe v.a. Menschen Afrikanischer Herkunft bestimmt waren. Wesentliche Voraussetzung dieses institutionalisierten Rassismus war und ist dabei auch eine rassistische Justiz, die die gewalttätigen Handlungen von Täter*innen und Mörder*innen im Regelfall von einer Strafverfolgung befreit, obwohl diese vorsätzlichen Körperverletzungen und Tötungen immer in Kenntnis der bestehenden Risiken ausgeführt worden sind und ohne die die verursachten körperlichen und psychischen Schäden oder Todesfälle so gar nicht hätten eintreten können. Die ignorante Verweigerung einer Anerkenntnis der Verantwortung im Zusammenhang mit der verbrecherischen Brechmittelfolterpraxis ist die letzte Konsequenz des staatlichen Rassismus gegen Menschen Afrikanischer Herkunft, die das klare Signal beinhaltet, dass weder die politischen Verantwortlichen im Hamburger Senat, noch die medizinisch Verantwortlichen am UKE und erst recht die juristischen Verantwortungsträger irgendeine Notwendigkeit sehen oder die Absicht haben, diesen rassistisch institutionalisierten Status Quo zu beenden. Menschen Afrikanischer Herkunft sollen in Hamburg offensichtlich auch weiterhin straflos und systematisch diskriminiert, kriminalisiert, misshandelt, gefoltert und umgebracht werden dürfen.

Wir fordern die offizielle Anerkenntnis der verbrecherischen Verantwortung aller Beteiligten an der Hamburger Brechmittelfolter und eine offizielle Entschuldigung mit Entschädigung der Betroffenen und Hinterbliebenen, um Menschen Afrikanischer Herkunft glaubhaft zu signalisieren, dass einen tatsächlichen politischen und institutionellen Willen gibt, aus der menschenverachtenden Geschichte zu lernen und Anti-Schwarzen Rassismus in behördlichen und institutionellen Praktiken wirksam zu beenden. Ohne Anerkenntnis und Entschädigung der Betroffenen der Hamburger Brechmittelfolter wird die Tradition des systematischen Anti-Schwarzen Rassismus‘ per Racial Profiling einfach fortgeschrieben werden.

Wir rufen gemeinsam mit der Initiative in Gedenken an Achidi John zu den Protestkundgebungen am 10. Dezember 2021

um 15 Uhr vor dem UKE-Haupteingang

und

um 16:30 Uhr vor dem Institut für Rechtsmedizin

auf, um an Bruder Achidi John und die Verantwortung des UKE und der Rechtsmedizin für den Mord an ihm zu erinnern!

TOUCH ONE – TOUCH ALL !

BLACK COMMUNITY Coalition for Justice & Self-Defence

Mehr Informationen zum Protest und der Hamburger Brechmittelfolter ->


EN

20th Anniversary of the Murder of Brother Achidi John at the UKE

PDF – Call for Protest

On December 9, 2001, our Brother Achidi John (Michael Paul Nwabuisi) was brutally murdered at the Institute of Forensic Medicine of the Hamburg UKE by Dr. Ute Lockemann and several police officers through the use of emetic torture. Brother Achidi John, in fear of his life, resisted the forced administration of the emetic Ipecacuanha and warned his murderers repeatedly and urgently by shout out: „I will die! Brother Achidi John was brutally restrained by a total of 5(!) police officers, while the doctor Dr. Lockemann tried several times to insert a stomach tube through his nose in order to then forcefully pump 30ml of emetic and 800ml of water into him. When Brother Achidi John lost consciousness, went into a coma and died as a result of this amount of fluids being pumped into his lungs, his tormentors did nothing and instead insinuated that he was only „faking“ his dying. Only after a medical student present could no longer feel a pulse and intervened, a resuscitation team from the UKE was called in, but they were unable to save his life. Brother Achidi John then was artifially „ventilated“ by machine for 3 more days as a matter of an intensive care alibi treatment to cover up any proof that the emetic had been wrongfully instilled into his lungs. The attending intensive care physicians told the family’s lawyer that they had virtually been given a corpse for „treatment“. Then, on December 12, 2001, the body was officially declared brain dead and the ventilator machine was turned off.

To this day, none of those involved have been held responsible for the murder of our Brother Achidi John – in fact, even the contrary is true: the murdered man was made responsible for his own death by a postmortem diagnosis of an alleged heart abnormality. None of the responsible acting, ordering and enabling persons, institutions or authority representatives have so far apologized to the family of the brutally killed or even accepted the obvious responsibility for the violent death of brother Achidi John. All those involved have not only remained in office unmolested, but have all risen in their career ladders despite or perhaps because of their involvement. The most prominent climber is the newly elected German Chancellor Olaf Scholz, who officially introduced emetic torture for election campaign purposes in June 2001 as the then interim Senator of the Interior in Hamburg, despite serious medical-ethical, legal and human rights concerns. The killing doctor Dr. Ute Lockemann rose to the position of professor at the Institute of Forensic Medicine and the director Prof. Dr. Klaus Püschel maintained the implementation of emetic torture at his institute until his retirement in November 2020, despite clear resolutions of the German Medical Association and the Hamburg Medical Association and contrary to medical ethics and the relevant medical duties of care, without having to fear any consequences.

The systemic institutionalized racism of the emetic torture, which was introduced by Olaf Scholz in Hamburg despite far-reaching medical risks and legal concerns, is already reflected in the fact that the „target group“ of the measure were mainly People of African Descent in the so-called „publicly perceivable drug crime scene“, although experts in the fight against drug crime put the „market share“ of this sector at only about 5% of the total drug trade in Hamburg. The Law & Order measure is thus clearly populist in nature and fundamentally unsuitable for actually or effectively combating the problem of drug-related crimes in Hamburg. It appeals to a selective perception within a racist consensus and, in its contempt for humanity and readiness to kill, was decided upon and executed only because People of African Descent, in particular, were designated as the very group to be targeted. An essential prerequisite of this institutionalized racism was and is a racist judiciary, which as a rule exempts the violent actions of perpetrators and murderers from criminal prosecution, although these intentional bodily injuries and killings were always carried out with explicit knowledge of the existing risks and despite the fact, that the physical and psychological damage or deaths caused could not have occurred without these very actions. The ignorant refusal to acknowledge accountability in connection with the criminal emetic torture practice is the last consequence of state racism against People of African Descent, which implies the clear signal that neither those politically responsible in the Hamburg Senate, nor those medically responsible at the UKE, and certainly not those legally responsible, see any need or have any intention to end this racist institutionalized Status Quo. It shall obviously be allowed to continue to discriminate, criminalize, mistreat, torture and kill People of African Descent in Hamburg systematically and with impunity.

We demand the official acknowledgement of the criminal responsibility of all those involved in the Hamburg emetic torture and an official apology including compensation for the victims and survivors, in order to credibly signal to People of African Descent that there is a real political and institutional will to learn from the inhumane history and to effectively end anti-Black racism in official and institutional practices. Without recognition and compensation for those affected by the Hamburg emetic torture, the tradition of systematic anti-Black racism via racial profiling will simply be perpetuated.

Together with the Initiative in Remembrance of Achidi John, we call for

protest rallies on December 10, 2021

at 3 p.m. in front of the UKE main entrance

and

at 4:30 p.m. in front of the Institute of Forensic Medicine

to remember our Brother Achidi John and reinforce the accountability of the UKE and the Institute of Forensic Medicine for his murder!

TOUCH ONE – TOUCH ALL !

BLACK COMMUNITY Coalition for Justice & Self-Defence