Protestkundgebung #JusticeForMbobda NOW!

BLACK COMMUNITY COALITION FOR JUSTICE & SELF-DEFENSE

Hamburg, 14. August 2020

Die Familie Mbobda hat uns mitgeteilt, dass sie den Kampf für ihr Recht auf ein ordentliches Gerichtsverfahren und für Gerechtigkeit für ihren Sohn und Bruder nicht widerstandslos aufgeben wird. Sie hat ein Recht auf eine umfassende und öffentliche Beweiswürdigung sowie auf die Beantwortung ihrer Fragen dazu, wie und warum Bruder Tonou-Mbobda gewaltvoll sterben musste.

Wir unterstützen die Familie in ihrem berechtigten Anliegen und fordern mit ihr gemeinsam im allgemeinen Interesse der Öffentlichkeit eine vollständige und nachvollziehbare Aufklärung des Falles in all seinen rechtsstaatlich relevanten Dimensionen ein – schon aus Gründen der Rechtssicherheit für andere Hamburger Krankenhauspatient*innen und des Rechtsfriedens für die Familie und unsere Black Community.

Familienangehörige von Bruder Tonou-Mbobda werden auf der Protestkundgebung #JusticeForMbobdaNOW am Samstag, den 15. August 2020 auf dem Johannes-Brahms-Platz anwesend sein. Lasst uns alle gemeinsam ein solidarisches Zeichen in die Black Community senden, dass wir die rassistische Vertuschung und Straffreiheit bei Tötungsverbrechen an Schwarzen Menschen nicht länger akzeptieren können und werden!

#ENOUGHisENOUGH

#BlackLivesMatter in Hamburg und überall!

#TouchONE – #TouchALL

#FREE_ABDUL – AUFRUF ZU PROTEST UND PROZESSBEOBACHTUNG

BLACK COMMUNITY COALITION FOR JUSTICE & SELF-DEFENSE

Hamburg, 12. August 2020

Ein 24-jähriger Afrikaner erlitt erst eine schwere Kopfverletzung im Rahmen einer polizeilichen Maßnahme im Februar 2020 – nun wurde er kürzlich in der Untersuchungshaft am Holstenglacis von Justizvollzugsbeamten misshandelt und erneut am Kopf verletzt.

Wir, die Black Community Coalition for Justice & Self-Defense sind besorgt über die wiederholten gefährlichen Körperverletzungen, die an unserem Bruder Abdul begangen werden. Die körperliche Unversehrtheit und das Leben von Schwarzen Menschen werden in Hamburg immer wieder von Polizisten und auch durch Justizvollzugsbeamte in verantwortungsloser und menschenverachtender Art und Weise gefährdet.

Bruder Abdul wurde im Rahmen einer polizeilichen Maßnahme im Februar am Schanzenpark eine schwere Kopfverletzung mit Schädelbruch und Hirnhautblutung zugefügt, die operativ notversorgt werden musste. Nun ist er am Montag, den 3.August 2020 in der Untersuchungshaft von einem Justizvollzugsbeamten erneut am Kopf verletzt worden – genau an der Stelle, die vorher operiert worden war.

#BlackLivesMatter – auch bei Polizeieinsätzen und in Gefangenschaft!

Um das Leben und die Gesundheit unseres Bruders Abdul besser zu schützen, rufen wir zum öffentlichen Protest bei den zuständigen Behörden der Gefängnisverwaltung und der Justizsenatorin Anna Gallina (Bündnis 90 – Die Grünen) sowie zur Prozessbeobachtung des laufenden Gerichtsverfahrens gegen Bruder Abdul vor dem Amtsgericht Hamburg auf:

Freie und Hansestadt Hamburg – Untersuchungshaftanstalt Hamburg

Holstenglacis 3
20355 Hamburg

Telefon: 040 42829-0 , Fax: 040 42829-345, E-Mail: uhpoststelle@justiz.hamburg.de

 

Behörde für Justiz und Verbraucherschutz

Besucheradresse:                                     Postadresse:

Drehbahn 36                                             Postfach 30 28 22
20354 Hamburg                                        20310 Hamburg

Telefon: 040 40-115, Fax: 040 4273-13245, E-Mail: poststelle@justiz.hamburg.de

 

Nächste Prozesstermine am Amtsgericht Hamburg, Sievekingplatz 3 (Strafjustizgebäude):

21. August 2020 – 09 Uhr (Sprungtermin – nur 15min) – Saal 267

28. August 2020 – 09 – 16 Uhr – Saal 267

09. September 2020 – 11 – 12 Uhr – Saal 297

22. September 2020 – 09 – 16 Uhr – Saal 297

(Änderungen der Termine und Räumlichkeit gerichtlich vorbehalten)

 

Black Community Coalition for Justice & Self-Defense

Kontakt: black_community_hamburg@riseup.net

Sister Oloruntoyin +49157-85508102

Brother Mwayemudza +49176-99621504

Einstellung des Ermittlungsverfahrens ist ein unglaublicher Justizskandal

OFFENER BRIEF AN DIE HAMBURGER ZIVILGESELLSCHAFT

BLACK COMMUNITY COALITION FOR JUSTICE & SELF-DEFENSE

Hamburg, 11. August 2020

Wie wir heute Abend erfahren mussten, hat die Staatsanwaltschaft Hamburg das lange verschleppte Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung mit Todesfolge im Fall unseres Bruders Tonou-Mbobda ohne Erhebung einer Anklage einfach eingestellt.

Es ist nun bald ein Jahr und 4 Monate her, dass Bruder Tonou Mbobda im UKE getötet wurde – einem Ort, an dem er während einer psychischen Erkrankung Zuflucht und Heilung suchte. Zum Zeitpunkt des Angriffs saß er ruhig auf einer Bank, zum Zeitpunkt des Angriffs war er weder bewaffnet noch gewalttätig. Wir glauben, dass Bruder Tonou Mbobda, wenn er weiß gewesen wäre, anders behandelt worden und heute noch am Leben sein könnte.

Wie konnte Bruder Tonou-Mbobda im UKE sterben? Wir müssen die Wahrheit erfahren.

Es ist nun bald ein Jahr und 4 Monate her und die Fragen der Familie, warum der Sohn, Bruder und Cousin William Tonou-Mbobda getötet wurde, sind immer noch unbeantwortet. Das ist ein anhaltendes Trauma. Gleichzeitig aber ist es wiederkehrende Realität tagtäglicher Erfahrung von rassistischer Brutalität und Verachtung für das Leben Schwarzer Menschen in Deutschland, dass diese immer wieder offensichtlich straffrei getötet werden dürfen. Die unfassbare Einstellung des Ermittlungsverfahrens im Angesicht der aktuellen weltweiten Massenproteste der #BlackLivesMatter-Bewegung auch hier in Deutschland und auch hier in Hamburg ist ein Schlag ins Gesicht der trauernden Familie, unserer Black Community hier in Hamburg und weltweit. Sie zeigt einmal mehr eindrücklich, wie berechtigt und notwendig diese Massenproteste sind und bleiben, weil Schwarze Leben auch hier in Deutschland weder zählen, noch einer angemessenen Strafverfolgung würdig erscheinen!

Institutioneller Rassismus und strukturelle Gewalt sind in allen öffentlichen Institutionen so tief verwurzelt, dass selbst in einem führenden Universitätskrankenhaus wie dem UKE ein Schwarzer Patient einfach so und ohne strafrechtliche Konsequenzen getötet werden darf. Wenn die Männer des Sicherheitsdienstes und das Pflegepersonal die damalige Situation im Einklang mit geltenden Richtlinien (insbesondere der S3-Richtlinie der DGPPN zur Vermeidung von Zwang) und unter vorgeschriebener ärztlicher Aufsicht behandelt hätten, wäre Bruder Tonou-Mbobda heute vielleicht noch am Leben.

Die Vertuschungen und Ausreden, die Verschleppung und anhaltende Straffreiheit im Fall Tonou-Mbobda erinnern uns an die vielen Fälle von Oury Jalloh bis Mareame N´deye Sarr in Deutschland, Adama Traoré und Wissam El Yamni in Frankreich, Rocky Bennett und Stephen Lawrence im Großbritannien und viele andere mehr. All diese schrecklichen Vorfälle sind Belege für strukturellen Rassismus und seine systematische Leugnung.  

Unsere Geduld ist am Ende. Genug ist Genug!

Wir fordern Gerechtigkeit, Verantwortung und Rechenschaftspflicht in allen Belangen

Inoffizielle Entschuldigungen und geheuchelte Anteilnahme haben schon vor der unsägliche Einstellung des Ermittlungsverfahrens nicht ausgereicht. Die Institutionen müssen Verantwortung übernehmen und mit jener Last, die wir Schwarzen so lange er- und mittragen müssen, endlich angemessen umgehen. Stattdessen werden sie sich nun bestätigt fühlen in ihrer menschenverachtenden Einschätzung „Alles richtig gemacht“ zu haben, wenn sie einen Schwarzer Menschen getötet haben. Wir sind es leid, aus Menschenverachtung sterben zu müssen. Wir sind es leid, dass Strafverfolgung systematisch unterbunden wird. Wir sind es leid, dass genau dadurch nichts geändert wird. Wir sind es leid, dass Weiße Angestellte und Polizisten ungestraft töten dürfen.

Bruder Tonou-Mbobda‘s Tod darf nicht straffrei bleiben!

Sein Leben darf nicht wegen des Machtmissbrauchs einiger Verantwortlicher entwertet werden.

Wir werden uns nicht zum Schweigen bringen lassen und wir sind nicht allein. Die ganze Welt wird von diesem Fall erfahren und sehen, wie ignorant damit umgegangen wird. Wir sind solidarisch mit der Familie, die diese Folter des Wartens nun noch länger ertragen muss und wir verurteilen die Staatsanwaltschaft Hamburg für die unverantwortliche Einstellung der Strafverfolgung ohne gerichtliche Beweiserhebung.

Wir fordern Gerechtigkeit!

Es ist an der Zeit, das ungestrafte Töten von Schwarzen Menschen endlich zu beenden

Es ist an der Zeit, Bruder Tonou Mbobda Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Ohne die Anerkennung und Einordnung der ganzen Wahrheit, kann es keine Gerechtigkeit geben!

Wir fordern die Hamburger Bürgerschaft und Zivilgesellschaft zum Handeln auf:

– Fordern Sie gemeinsam mit uns eine Anklageerhebung seitens der Staatsanwaltschaft im Fall Tonou-Mbobda ein!

– Sorgen Sie mit uns gemeinsam für die Einrichtung eines unabhängigen, von der Zivilgesellschaft getragenen Ausschusses zur Untersuchung aller Handlungen und Unterlassungen, die zum gewaltsamen Tod von Bruder Tonou-Mbobda geführt haben.

– Sorgen Sie mit uns gemeinsam für ein Verbot von potentiell tödlich endenden Zwangsfixierungen in Bauchlage in der Psychiatrie sowie in der Polizeipraxis und bei Sicherheitsdiensten.

– Sorgen Sie mit uns gemeinsam für mehr und angemessenere Schulungen zu Deeskalation und gewaltfreien Interventionen für Polizeibeamte und städtisches Sicherheitspersonal mit der gesetzlichen Berechtigung zur Anwendung von sogenanntem einfachem(!) Zwang.

Wir rufen Sie dazu auf, die wichtige Arbeit zu leisten und unseren Communities zuzuhören!

Wir rufen Sie auf, dafür Sorge zu tragen, dass der Gerechtigkeit Genüge getan wird, damit der Schutz und die Sicherheit der Menschen im Mittelpunkt stehen und rassistisches Profiling und alle Fälle rassistischer Brutalität effektiv unterbunden werden können.

Der Tod von Bruder Tonou Mbobda ist ein Symbol für ein System, das sich endlich ändern muss!

Unser tiefes Mitgefühl gilt der Familie Tonou-Mbobda. Wir stehen ihnen in ihrem Kampf für Gerechtigkeit an ihrer Seite.

Black Community Coalition for Justice & Self-Defense

Kontakt: black_community_hamburg@riseup.net

Sister Oloruntoyin – mobil: +49157-85508102

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Why you cannot see racism at all?

ZEIT ONLINE July 29th 2020

Racism: „The blacker a person, the more carefulness is neglected“

DE: Warum sehen Sie eigentlich keinen Rassismus?

William Tonou-Mbobda died in the UKE after being restrained. In this interview, Black Community activists explain why they think this is institutional racism.

Interview: Félice Gritti

https://www.zeit.de/hamburg/2020-07/rassismus-psychiatrie-patient-sicherheit-hamburg/komplettansicht

More than a year ago the psychiatric patient William Tonou-Mbobda died after the security service of the UKE forcefully fixed him. The incident has not yet been legally clarified, the investigation is still ongoing. The Black Community Coalition for Justice and Self-Defense, a group of Black activists, considers the case an example of institutional racism. We spoke to Oloruntoyin Manly-Spain and Mwayemudza Ndindah about the accusations they are making – and what the case means to them personally. At their own request, the two will appear in the rest of this interview under their activist names „Sister Oloruntoyin“ and „Brother Mwayemudza“.

ZEIT ONLINE: For more than a year, you have been pushing for clarification of the death of William Tonou-Mbobda, who died at the UKE after security guards had detained him. You see racism in this case. Where, exactly?

Sister Oloruntoyin: It is important to differentiate: We mean institutional racism, not interpersonal. Institutional racism is not necessarily intentional, it has to do with bias and unconscious beliefs, but it creates structures that lead to black people being treated worse. Even in hospitals.

ZEIT ONLINE: Hospitals have not yet been at the centre of the debate on racism.

Sister Oloruntoyin: At the beginning of the 1990s, a young black man died in Broadmoor Hospital in England, after which the so-called „Blackwood Report“ was produced. This described a culture within that hospital that was based on White European norms and expectations. According to the report, this resulted in a subtle, altogether covert form of institutional racism – which was nevertheless effective and played a major role in the treatment of the patient.

ZEIT ONLINE: How do you know that the same thing happened in the case of William Tonou-Mbobda?

Sister Oloruntoyin: First of all, there has been no official apology from the UKE to the family of William Tonou-Mbobda to date. That would have been the least we could have expected, but it’s not the only point. According to the autopsy report, William Tonou-Mbobda would not have died if he had not had a heart defect. Had there been a thorough nmedicaeion on admission, the heart defect would have been discovered earlier. A heart defect is a risk factor – it should also play a role in the decision whether to order coercive measures or not. And if one orders and exercises coercion, then there are certain rules for this, such as the S3 guideline …

ZEIT ONLINE: … which recommends, among other things, that when lying on the ground. people should be restrained face up, which was obviously not the case with William Tonou-Mbobda …

Sister Oloruntoyin: … and the UKE has violated these rules in this case. We cannot and will not simply accept this.

Brother Mwayemudza Ndindah: There are more points to it. The confirmation to the request for coercive treatment was not conferred yet at the time. Self-endangerment or extraneous endangerment was neither given nor documented – we spoke to a doctor after the incident, William Tonou-Mbobda did not attack or hurt anyone according to this. The security personnel was not deployed in the presence of a doctor either. Then the public prosecutor’s office commissioned the Institute of Forensic Medicine at the UKE with the autopsy, and the director of the institute, Professor Püschel, accepted the assignment – although there was a conflict of interest. Furthermore, according to our information, William Tonou-Mbobda’s name was misspelled at the time of admission, despite his health insurance card. This later led to the fact that his sister was not allowed to provide legal guardianship for her brother.

ZEIT ONLINE: This may be a worrying accumulation of mistakes, but is it racism?

Brother Mwayemudza: These are systemic mechanisms of action that are not necessarily linked to a malicious intention of the individual. But that’s the way racism works – and that’s what we mean when we talk about institutionalized racism. These chains of error are only possible when it concerns a person of minor importance, and the blacker a person, the more likely it is to be so. The more likely it is that care and standards will be neglected.

ZEIT ONLINE: Nevertheless, many people would probably respond: All this could’ve happened to a White person.

Brother Mwayemudza: This argument only points out that there is something wrong with this coercive psychiatric system. And on the other hand, it still does not exclude the possibility that institutional racism have played a role in this particular case. There are various factors that lead to people being less careful, paying less attention, showing less empathy – institutional racism is not the only one, but it is one of these factors. The debate suffers from the fact that this kind of racism is not recognized, is denied.

Sister Oloruntoyin: But if racial prejudice against Blacks is not acknowledged, both at an individual and structural level, then it is difficult to address the inequalities that exist in the health sector, particularly in the field of mental health. There would be a need for nationwide cultural awareness programs for hospital staff, combined with anti-racism and de-escalation training. Black communities must also be involved.

ZEIT ONLINE: But again, the question: What is the basis of your conviction that in the case of William Tonou-Mbobda not only mistakes were made, but racism was at work? Do you basically assume that racism works in all institutions?

Brother Mwayemudza: Counter-question: Could you prove the absence of White superiority arrogance when – as in the present case – a series of omissions and errors have been committed against a Black patient and his family that are in conflict with medical diligence, existing guidelines and an ostensibly responsible corporate culture? Racism has a systemic effect and is based on the conviction of one’s own superiority, and possibly also one’s own infallibility – both individually and institutionally. The accumulation of errors to the detriment of one and the same patient cannot be explained without a corresponding structural background. In addition, there is the ignorant and disrespectful behavior towards the Black Family and the absolute blindness to errors after the incident, although the UKE’s actions had fatal consequences. Here, the institution UKE has acted structurally derogatory and thus racist at all levels, from the careless admission examination to the unattended, lethal use of disproportionate force to the criminalizing crisis management at the expense of the killed patient and his relatives.

Sister Oloruntoyin: If we are honest: Racism and the idea of White supremacy are the basis of all institutions of this German society. This is not only our subjective experience, but also a finding that is repeatedly made by international bodies such as the UN Working Group of Experts on the situation of People of African Descent during a visit to Germany in February 2017 or in the regular reports on Germany by the European Commission against Racism and Intolerance (ECRI) – most recently in March 2020. When we speak of institutionalized racism, we shift the focus to how organizations work for or against ethnic minorities and how the services of these institutions are experienced by us. We are talking about systematic discrimination and structurally discriminatory practices. The most common form of „White supremacy“ is not openly fascist neo-Nazi groups, but the silent agreement of the majority society to privilege White interests.

ZEIT ONLINE: How tiring is it for you to conduct this debate?

Brother Mwayemudza: If someone can’t understand what racism feels like because he or she is not affected by racism, but then says: racism doesn’t exist – then this is an arrogance and ignorance that reinforces the already existing experience of being worth less.

ZEIT ONLINE: The other day, the Federal Minister of the Interior Horst Seehofer said that racism in the German police force only occurs in isolated cases and therefore no study is needed.

Brother Mwayemudza: Horst Seehofer also spoke of migration as the mother of all problems and of defending the German social systems against immigration down to the last bullet. In this respect, one can already see how this man is positioning himself. That is one thing – the other is structural: precisely that denial of racism, historical and contemporary, structural. Not only Mr Seehofer is involved in this, but also the Interior Ministers of the Federal States and large sections of the police force.

ZEIT ONLINE: Germany likes to take advantage of having come to terms with its past. What do you mean when you speak of historical denial?

Brother Mwayemudza: Racism was already established before German fascism. It emerged as an ideology of justification for colonialism, for colonial crimes. But this connection is still not made today: The pretense is that fascism came from Braunau, historically out of nowhere. This missing link has led to the fact that colonialism and racism have never really been dealt with in Germany. There is a lack of recognition of this heritage and of the fact that for this very reason there are significantly more female racists than male fascists.

ZEIT ONLINE: With what consequences for the present?

Brother Mwayemudza: As long as it is not recognized, nothing is done about it. Then all racist incidents end up in the individual case drawer. There is a mechanism at work here that is called cognitive dissonance in psychology – if you deny you don’t have to change. In this respect, Mr Seehofer’s statements are classic examples of how racism works: Denial is an essential part of its reproduction.

ZEIT ONLINE: What does this mean for all those affected by racism?

Brother Mwayemudza: This denial is devaluation. When you say we don’t need a study of racism, for example in the police force, you are saying: the people affected by racism are not even worthy of at least studying the phenomenon. This is then obviously a system that is politically intended: people are criminalized or even mistreated and killed because of the color of their skin, but those responsible for it have nothing to fear, let alone punishment. Instead, the police are declared victims of racism accusations – this is structural perpetrator-victim-reversion …

ZEIT ONLINE: Back to William Tonou-Mbobda: What did his death mean to you personally?

Sister Oloruntoyin: The case has shown us that as Black people we are not safe. As I stood by the bed of William Tonou-Mbobda in the intensive care unit at UKE, I thought of my younger brothers. I said to myself: That’s incredible! We Blacks know that the German institutions are racist – and yet we are always shocked by such incidents. It is painful and traumatic that this „tragic“ case, this „catastrophe“, as Katharina Fegebank called it in the Science Committee, is part of a history that repeats itself again and again.

ZEIT ONLINE: What incidents do you think of when you talk about this story?

Sister Oloruntoyin: Mareame Sarr and Christy Schwundeck were shot to death by German police officers, Oury Jalloh was burned to death in a Dessau police cell, Achidi John died in the UKE from a coercive emetic instillation into his lungs. We also think of the murders of George Floyd, Breonna Taylor and many others in the USA. When we are struck by such racist disasters, which apparently seem quite natural to the white majority society, we are always hit very hard. It’s hard to sleep after such incidents. It’s hard to focus. It takes a while to process the shock and to calm down again.

TIME ONLINE: How do you handle it?

Sister Oloruntoyin: As the Black Community Coalition for Justice and Self-Defense, we offer psychosocial support and provide safe spaces where Black people can work through common traumas. Black people have been organizing themselves again and again, fighting racism for more than 500 years. However, overcoming systemic racism is ultimately the task of the White majority society, including its authorities and institutions.

ZEIT ONLINE: And how, in your view, can such an overcoming be achieved?

Sister Oloruntoyin: In any case, not without consistent criminal prosecution within reasonable time frames. It is crippling to have to wait again and again for impunity, for the next miscarriage of justice. Because the case of William Tonou-Mbobda has shown us this too so far: no one is held actually responsible when institutional action has fatal consequences.

ZEIT ONLINE: The prosecution would argue the investigation is ongoing.

Sister Oloruntoyin: For more than a year now?! It’s hard for us to understand why it takes so long to press charges in a case that took place in broad daylight in front of numerous witnesses. And if it takes that long, we would at least expect some reasonable explanation.

Brother Mwayemudza: It is well known that the main investigations were already completed last fall. Still no charges have been brought up so far. For us, this again shows which perspectives are apparently not important at all: the perspective of William Tonou-Mbobda’s family, the perspective of the people affected.

ZEIT ONLINE: Do you feel that you are heard in the public debate surrounding the case?

Brother Mwayemudza: Black voices have been heard, but this is mainly because from the beginning we have taken up this case, made it public and scandalized it. We were not surprised by the vehemence of the defensive reactions. We used the nasty R-word, called Racism. That was it: a naming, not just an accusation. Yet one is systematically pushed into the irrational corner.

ZEIT ONLINE: Do you mean that you are not taken seriously?

Brother Mwayemudza: What the UKE says, what the public prosecutor’s office says is left unquestioned. That is official authority – no interpretation. What we say as affected persons, is permanently being questioned: Where do you get off saying that? Why do you assume racism at work? Conversely, other questions would be justified and even more purposeful: How could it have come about in the first place? And: Why you cannot see racism at all?

Warum sehen Sie eigentlich keinen Rassismus?

ZEIT ONLINE vom 29. Juli 2020

Rassismus: „Je schwärzer eine Person, desto eher wird Sorgfalt vernachlässigt“

EN: Why you cannot see racism at all?

William Tonou-Mbobda starb im UKE, nachdem man ihn fixiert hatte. Im Interview erklären Schwarze Aktivisten, warum sie das für institutionellen Rassismus halten.

Interview: Félice Gritti

https://www.zeit.de/hamburg/2020-07/rassismus-psychiatrie-patient-sicherheit-hamburg/komplettansicht

Vor mehr als einem Jahr starb der Psychiatriepatient William Tonou-Mbobda, nachdem der Sicherheitsdienst des UKE ihn fixiert hatte. Der Vorfall ist bis heute nicht gerichtlich geklärt, die Ermittlungen dauern an. Die Black Community Coalition for Justice and Self-Defense, eine Gruppe von Schwarzen Aktivistinnen und Aktivisten, wertet den Fall als Beispiel für institutionellen Rassismus. Wir haben mit Oloruntoyin Manly-Spain und Mwayemudza Ndindah über die Vorwürfe gesprochen, die sie erheben – und darüber, was der Fall für sie persönlich bedeutet. Auf eigenen Wunsch treten die beiden im weiteren Verlauf dieses Interviews unter den Namen „Sister Oloruntoyin“ und „Brother Mwayemudza“ auf; hierbei handele es sich um aktivistische Namen.

ZEIT ONLINE: Sie drängen seit mehr als einem Jahr auf die Aufklärung des Todes von William Tonou-Mbobda, der im UKE starb, nachdem Sicherheitsleute ihn fixiert hatten. Sie sehen in dem Fall Rassismus. Wo genau?

Sister Oloruntoyin Manly-Spain: Es ist wichtig, zu differenzieren: Wir meinen institutionellen Rassismus, nicht interpersonellen. Hinter institutionellem Rassismus steht nicht notwendigerweise eine Absicht, er hat mit unbewussten Glaubenssätzen zu tun, schafft aber Strukturen, die dazu führen, dass Schwarze Menschen schlechter behandelt werden. Auch in Krankenhäusern.

ZEIT ONLINE: Krankenhäuser stehen bislang nicht im Zentrum der Rassismus-Debatte.

Sister Oloruntoyin: Anfang der Neunzigerjahre starb ein junger Schwarzer Mann im englischen Broadmoor-Krankenhaus, anschließend wurde der sogenannte „Blackwood-Bericht“ angefertigt. Darin wurde eine Kultur innerhalb jenes Krankenhauses beschrieben, die auf weißen europäischen Normen und Erwartungen beruhte. Dem Bericht zufolge ergab sich daraus eine subtile, insgesamt unbewusste Form des institutionellen Rassismus – die aber dennoch wirksam war und eine große Rolle gespielt hat in der Behandlung des Patienten.

ZEIT ONLINE: Woran machen Sie fest, dass es im Fall von William Tonou-Mbobda genauso lief?

Sister Oloruntoyin: Zunächst: Es gab bis heute keine offizielle Entschuldigung des UKE gegenüber der Familie von William Tonou-Mbobda. Das wäre das Mindeste gewesen, ist aber nicht der einzige Punkt. Laut Obduktionsbericht wäre William Tonou-Mbobda nicht gestorben, wenn er keinen Herzfehler gehabt hätte. Hätte es eine gründliche Aufnahmeuntersuchung gegeben, dann hätte man den Herzfehler früher entdeckt. Ein Herzfehler ist ein Risikofaktor – der sollte auch eine Rolle bei der Entscheidung spielen, ob man Zwang anordnet oder nicht. Und wenn man Zwang anordnet und ausübt, dann gibt es dafür bestimmte Regeln wie die S3-Leitlinie …

ZEIT ONLINE: … die unter anderem empfiehlt, dass liegende Menschen mit dem Gesicht nach oben fixiert werden sollten, was bei William Tonou-Mbobda offensichtlich nicht der Fall war …

Sister Oloruntoyin: … und das UKE hat diese Regeln in diesem Fall verletzt. Das können und wollen wir nicht einfach so akzeptieren.

Brother Mwayemudza Ndindah: Es gibt weitere Punkte. Der Bescheid über den Unterbringungsantrag, der nicht abgewartet wurde. Die Eigen- oder Fremdgefährdung, die nicht belegt wurde – wir haben nach dem Vorfall mit einer Ärztin gesprochen, William Tonou-Mbobda hat demnach niemanden angegriffen oder verletzt. Der Einsatz des Sicherheitspersonals erfolgte auch nicht im Beisein eines Arztes oder einer Ärztin. Dann hat die Staatsanwaltschaft das Institut für Rechtsmedizin am UKE mit der Obduktion beauftragt und der Institutsdirektor Professor Püschel hat diesen Auftrag angenommen – obwohl da ein Interessenskonflikt vorliegt. Zudem wurde William Tonou-Mbobdas Name nach unseren Informationen trotz Krankenkassenkarte bei der Aufnahme falsch geschrieben. Das hat später dazu geführt, dass seine Schwester die gesetzliche Betreuung für ihren Bruder nicht ausüben durfte.

ZEIT ONLINE: Das mag eine bedenkliche Häufung von Fehlern sein, aber ist es Rassismus?

Brother Mwayemudza: Das sind systemische Wirkmechanismen, die nicht zwingend an eine böswillige Intention der Einzelnen gekoppelt sind. Aber genauso funktioniert Rassismus – und das meinen wir, wenn wir von Institutionalisierung von Rassismus sprechen. Diese Fehlerketten sind nur möglich, wenn es um eine Person mit geringer Bedeutung geht, und je schwärzer eine Person ist, umso eher ist das eben der Fall. Umso eher werden Sorgfalt und Standards vernachlässigt.

„Insgesamt läuft etwas falsch im Zwangspsychiatriesystem“

ZEIT ONLINE: Dennoch würden viele Leute wohl entgegnen: All das hätte auch einem weißen Menschen passieren können.

Brother Mwayemudza: Dieses Argument weist ja nur darauf hin, dass da insgesamt etwas falsch läuft im Zwangspsychiatriesystem. Und es schließt andererseits nicht aus, dass in diesem konkreten Fall institutioneller Rassismus eben auch eine Rolle gespielt hat. Es gibt verschiedene Faktoren, die dazu führen, dass Menschen weniger Sorgfalt walten lassen, weniger Aufmerksamkeit üben, weniger Empathie zeigen – institutioneller Rassismus ist nicht der einzige, aber einer dieser Faktoren. Die Debatte krankt daran, dass diese Art von Rassismus nicht anerkannt wird, verleugnet wird.

Sister Oloruntoyin: Wenn rassistische Vorurteile gegen Schwarze aber nicht anerkannt werden, sowohl auf individueller als auch auf struktureller Ebene, dann lassen sich die Ungleichheiten kaum angehen, die im Gesundheitsbereich herrschen, insbesondere im Bereich der psychischen Gesundheit. Es bräuchte landesweite Programme zur kulturellen Sensibilisierung von Klinikpersonal, verbunden mit Antirassismus- und Deeskalationstrainings. Dabei müssen auch die Schwarzen Communitys miteinbezogen werden.

ZEIT ONLINE: Aber noch einmal die Nachfrage: Worauf gründet sich Ihre Überzeugung, dass im Fall von William Tonou-Mbobda nicht nur Fehler begangen wurden, sondern Rassismus gewirkt hat? Gehen Sie grundsätzlich davon aus, dass in allen Institutionen Rassismus wirkt?

Brother Mwayemudza: Gegenfrage: Belegen Sie die Abwesenheit von Weißem Überlegenheitsdünkel, wenn – wie im vorliegenden Fall – gleich reihenweise Unterlassungen und Fehler gegenüber einem Schwarzen Patienten und dessen Familie begangen wurden, die im Widerspruch zu medizinischen Sorgfaltspflichten, zu bestehenden Leitlinien und zu einer vorgeblich verantwortungsbewussten Unternehmenskultur stehen? Rassismus wirkt systemisch und beruht auf der Überzeugung von der eigenen Überlegenheit, gegebenenfalls auch der eigenen Unfehlbarkeit – individuell wie institutionell. Die hier vorliegende Häufung von Fehlern zum Nachteil ein und desselben Patienten ist ohne einen entsprechend strukturellen Hintergrund einfach nicht zu erklären. Hinzu kommen das ignorante und respektlose Verhalten gegenüber der Schwarzen Familie und die absolute Fehlerblindheit nach dem Vorfall, obwohl das Handeln des UKE tödliche Konsequenzen hatte. Die Institution UKE hat hier auf allen Ebenen von der sorgfaltsfreien Aufnahmeuntersuchung über die unbeaufsichtigte, tödliche Zwangsanwendung bis hin zum kriminalisierenden Krisenmanagement auf Kosten des getöteten Patienten und dessen Angehörigen strukturell abwertend und damit rassistisch agiert.

Sister Oloruntoyin: Wenn wir ehrlich sind: Rassismus und die Idee der Weißen Überlegenheit sind die Grundlage aller Institutionen dieser deutschen Gesellschaft. Das ist nicht nur unsere subjektive Erfahrung, sondern auch ein Befund, der immer wieder von internationalen Gremien wie der UN-Expertengruppe zur Situation von Menschen Afrikanischer Herkunft beim Deutschland-Besuch 2017 oder in den regelmäßigen Berichten der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) über Deutschland – zuletzt im März 2020 – erhoben wird. Wenn wir von institutionalisiertem Rassismus sprechen, verlagern wir den Schwerpunkt darauf, wie Organisationen für oder gegen ethnische Minderheiten arbeiten und wie die Dienste dieser Institutionen von uns erlebt werden. Dabei geht es um systematische Diskriminierungen und strukturell benachteiligende Handlungsweisen. Die verbreitetste Form „Weißer Vorherrschaft“ sind nicht offen faschistische Neonazi-Gruppen, sondern die stille Übereinkunft der Mehrheitsgesellschaft, Weiße Interessen zu privilegieren.

ZEIT ONLINE: Wie ermüdend ist es für Sie, diese Debatte zu führen?

Brother Mwayemudza: Wenn jemand nicht nachvollziehen kann, wie sich Rassismus anfühlt, weil er oder sie nicht von Rassismus betroffen ist, dann aber sagt: Rassismus gibt’s nicht – dann ist das eine Arroganz und Ignoranz, die bei den Betroffenen die ohnehin schon vorhandene Erfahrung verstärkt, weniger wert zu sein.

Horst Seehofer? „Dieser Mann ist ganz persönlich gestrickt“

ZEIT ONLINE: Neulich sagte der Bundesinnenminister Horst Seehofer, dass Rassismus in der deutschen Polizei nur in Einzelfällen vorkomme und es deswegen keine Studie dazu brauche.

Brother Mwayemudza: Horst Seehofer hat auch von der Migration als Mutter aller Probleme gesprochen und davon, die deutschen Sozialsysteme bis zur letzten Patrone gegen Zuwanderung zu verteidigen. Insofern kann man schon sehen, wie dieser Mann ganz persönlich gestrickt ist. Das ist das eine – das andere ist das Strukturelle: eben genau jene Verleugnung von Rassismus, sowohl des historischen als auch des gegenwärtigen, strukturellen. Daran beteiligt sich ja nicht nur Herr Seehofer, daran beteiligen sich auch Innenminister der Länder und große Teile der Polizei.

ZEIT ONLINE: Deutschland hält sich gern zugute, seine Vergangenheit aufgearbeitet zu haben. Was meinen Sie, wenn Sie von historischer Verleugnung sprechen?

Brother Mwayemudza: Rassismus wurde bereits vor dem deutschen Faschismus etabliert. Er ist entstanden als Rechtfertigungsideologie für den Kolonialismus, für Kolonialverbrechen. Diese Verbindung wird aber bis heute nicht hergestellt: Man tut so, als sei der Faschismus aus Braunau gekommen, historisch aus dem Nichts. Diese fehlende Verbindung hat dazu geführt, dass Kolonialismus und Rassismus in Deutschland nie wirklich aufgearbeitet wurden. Es fehlt eine Anerkennung dieses Erbes und der Tatsache, dass es genau deswegen deutlich mehr Rassistinnen als Faschisten gibt.

ZEIT ONLINE: Mit welchen Folgen für die Gegenwart?

Brother Mwayemudza: Solange es nicht anerkannt wird, wird auch nichts dagegen unternommen. Dann landen alle rassistischen Vorfälle eben in der Einzelfall-Schublade. Da wirkt ein Mechanismus, der sich in der Psychologie kognitive Dissonanz nennt – man verleugnet, damit man sich nicht ändern muss. Insofern sind die Äußerungen von Herrn Seehofer ein klassisches Beispiel dafür, wie Rassismus funktioniert: Verleugnung ist ein wesentlicher Teil seiner Reproduktion.

ZEIT ONLINE: Was heißt das für all jene, die von Rassismus betroffen sind?

Brother Mwayemudza: In der Verleugnung steckt Abwertung. Wenn man sagt, wir brauchen keine Studie zu Rassismus, etwa in der Polizei, dann sagt man damit ja auch: Die Leute, die von Rassismus betroffen sind, sind es nicht einmal wert, das Phänomen wenigstens zu untersuchen. Das ist dann offensichtlich ein System, das politisch gewollt ist: Menschen werden aufgrund ihrer Hautfarbe kriminalisiert oder gar misshandelt und getötet, aber die dafür Verantwortlichen müssen keine Konsequenzen fürchten, geschweige denn Strafen. Stattdessen wird die Polizei zum Opfer von Rassismus-Vorwürfen erklärt – das ist strukturelle Täter-Opfer-Umkehr. . .

ZEIT ONLINE: Zurück zu William Tonou-Mbobda: Was hat sein Tod für Sie persönlich bedeutet?

Sister Oloruntoyin: Der Fall hat uns gezeigt, dass wir als Schwarze Menschen nicht sicher sind. Als ich am Bett von William Tonou-Mbobda auf der Intensivstation des UKE stand, dachte ich an meine jüngeren Brüder. Ich sagte zu mir selbst: Das ist unglaublich! Wir Schwarzen wissen, dass die deutschen Institutionen rassistisch sind – und dennoch sind wir immer wieder schockiert über solche Vorfälle. Es ist schmerzhaft und traumatisch, dass dieser „tragische“ Fall, diese „Katastrophe“, wie Katharina Fegebank es im Wissenschaftsausschuss nannte, zu einer Geschichte gehört, die sich immer wieder wiederholt.

„Es ist lähmend, immer wieder auf Straflosigkeit warten zu müssen“

ZEIT ONLINE: An welche Vorfälle denken Sie, wenn Sie von dieser Geschichte sprechen?

Sister Oloruntoyin: Mareame Sarr und Christy Schwundeck wurden von deutschen Polizisten erschossen, Oury Jalloh in einer Dessauer Polizeizelle verbrannt, Achidi John starb im UKE durch einen gewaltsamen Brechmitteleinsatz. Wir denken auch an die Ermordungen von George Floyd, Breonna Taylor und vielen anderen in den USA. Wenn wir von solchen rassistischen Katastrophen heimgesucht werden, die der Weißen Mehrheitsgesellschaft offenbar ganz natürlich erscheinen, dann trifft uns das immer wieder sehr hart. Nach solchen Vorfällen ist es schwer zu schlafen. Es ist schwer, sich zu konzentrieren. Es dauert eine Weile, den Schock zu verarbeiten und wieder zur Ruhe zu kommen.

ZEIT ONLINE: Wie gehen Sie damit um?

Sister Oloruntoyin: Wir als Black Community Coalition for Justice and Self-Defense bieten psychosoziale Unterstützung an und stellen sichere Räume zur Verfügung, in denen Schwarze Menschen gemeinsame Traumata aufarbeiten können. Schwarze Menschen organisieren sich immer wieder, bekämpfen Rassismus seit mehr als 500 Jahren. Die Überwindung von systemisch wirkendem Rassismus ist aber letztlich die Aufgabe der Weißen Mehrheitsgesellschaft mitsamt ihren Behörden und Institutionen.

ZEIT ONLINE: Und wie kann aus Ihrer Sicht eine solche Überwindung gelingen?

Sister Oloruntoyin: Auf jeden Fall nicht ohne konsequente strafrechtliche Verfolgung in angemessenen Zeiträumen. Es ist lähmend, immer wieder auf Straflosigkeit warten zu müssen, auf den nächsten Justizirrtum. Denn auch das zeigt uns der Fall von William Tonou-Mbobda bisher: Es wird niemand unmittelbar zur Verantwortung gezogen, wenn institutionelles Handeln tödliche Konsequenzen hat.

ZEIT ONLINE: Die Staatsanwaltschaft würde wohl entgegnen: Die Ermittlungen dauern an.

Sister Oloruntoyin: Seit mehr als einem Jahr?! Es ist für uns schwer zu verstehen, warum es so lange dauert, Anklage zu erheben, in einem Fall, der sich am helllichten Tag vor Zeugen abgespielt hat. Und wenn es so lange dauert, dann würden wir wenigstens eine nachvollziehbare Erklärung erwarten.

Brother Mwayemudza: Es ist ja bekannt, dass die wesentlichen Ermittlungen bereits im Herbst letzten Jahres abgeschlossen waren. Noch immer ist keine Anklage erhoben worden. Für uns zeigt sich da wieder, welche Perspektiven offenbar unwichtig sind: die Perspektive der Familie von William Tonou-Mbobda, die Perspektive der Betroffenen.

ZEIT ONLINE: Fühlen Sie sich in der öffentlichen Debatte rund um den Fall gehört?

Brother Mwayemudza: Schwarze Stimmen sind gehört worden, das hat aber vor allem damit zu tun, dass wir von Anfang an diesen Fall aufgegriffen, öffentlich gemacht und skandalisiert haben. Die Vehemenz der Abwehrreaktionen hat uns nicht überrascht. Wir haben das böse R-Wort benutzt, den Rassismus benannt. Das war es nämlich: eine Benennung, nicht nur ein Vorwurf. Man wird dennoch systematisch in die irrationale Ecke gestellt.

ZEIT ONLINE: Meinen Sie damit, dass man Sie nicht ernst nimmt?

Brother Mwayemudza: Was das UKE sagt, was die Staatsanwaltschaft sagt, das wird so stehen gelassen. Das ist die offizielle Deutungshoheit. Was wir als Betroffene sagen, das wird in Frage gestellt: Wie kommen Sie dazu, das zu behaupten? Wo sehen Sie Rassismus? Dabei wären die Fragen umgekehrt ja genauso berechtigt und noch dazu zielführender: Wie konnte es überhaupt dazu kommen? Und: Warum sehen Sie eigentlich keinen Rassismus?

Erster Todestag von Bruder William Tonou-Mbobda – Wir klagen an!

#Justice4Mbobda

English below

BLACK COMMUNITY COALITION FOR JUSTICE & SELF-DEFENSE

Hamburg, den 21. April 2020

Wir, die Black Community Coalition for Justice & Self-Defense gedenken an diesem 21. April 2020 unserem Bruder William Tonou-Mbobda, der vor genau einem Jahr durch eine brutale Zwangsfixierung durch 3 Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes KLE am UKE Hamburg ohne richterliche Anordnung gewaltsam aus seinem noch jungen Leben gerissen wurde. Unsere Gedanken sind am heutigen Tag besonders mit den trauernden Angehörigen und Freunden, die bis heute weder eine Entschuldigung, noch eine nachvollziehbare Aufklärung erfahren durften.

Wir erneuern heute nochmals das Versprechen der Black Community Hamburg an die Familie des Ermordeten, dass wir alles in unserer Macht stehende tun werden, um das Verbrechen restlos aufzuklären und Gerechtigkeit herzustellen.

Da von der Staatsanwaltschaft Hamburg bis heute keine Anklage erhoben wurde, ist der aktuelle Stand der Strafverfolgung weder für die Familie, noch für die Öffentlichkeit nachvollziehbar.

Daher klagen wir an seinem ersten Todestag die folgenden Personen, Institutionen und Zustände ersatzweise zivilgesellschaftlich an:

  1. Wir klagen die gewalttätigen Sicherheitsmitarbeiter des UKE-Tochterunternehmens Klinik Logistik & Engineering GmbH an, unseren Bruder Tonou-Mbobda am 21. April 2020 gemeinschaftlich getötet zu haben, indem sie seine Arme in Bauchlage auf dem Rücken fixiert und ihn zumindest teilweise durch ihr Körpergewicht zusätzlich beschwert haben. Damit haben sie einen lagebedingten Erstickungstod des Getöteten bedingt vorsätzlich in Kauf genommen.
  2. Wir klagen die verantwortliche Stationsärztin der UKE-Psychiatrie an, die gewalttätige Zwangsunterbringung von Bruder Tonou-Mbobda ohne Vorliegen eines richterlichen Unterbringungsbeschlusses rechtswidrig angeordnet und im Folgenden nicht ärztlich beaufsichtigt zu haben. Wir klagen sie an, die von Tonou-Mbobda vorgebrachten Bedenken gegen die Einnahme des verordneten Medikamentes wegen nachweislicher allergischer Reaktion nicht ernst genommen zu haben. Darüber hinaus wäre auch der traumatische Verlust seines Bruders durch eine ebenfalls allergische Reaktion auf ein Medikament ein Grund für das Anbieten einer alternativen Behandlungsstrategie gewesen. Zudem klagen wir sie an, den später bei der rechtsmedizinischen Untersuchung festgestellten, schwerwiegenden angeborenen Herzfehler nicht schon bei einer sorgfältigen Aufnahmeuntersuchung zum Ausschluss körperlicher Ursachen seiner psychischen Überforderung diagnostiziert zu haben.
  3. Wir klagen die Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am UKE sowie das UKE als Gesamtunternehmen an, den Hinterbliebenen des in ihrer Verantwortung verstorbenen Tonou-Mbobda zu keiner Zeit psychologische Hilfe zukommen gelassen haben. Darüber hinaus erfolgte für die Familienangehörigen keine persönlich nachvollziehbare Erklärung darüber, wie und warum ihr Sohn, Bruder und Cousin hat gewaltvoll sterben müssen. Wir klagen an, dass es bis zum heutigen Tag keinerlei persönlich an die Familie gerichtete bzw. überbrachte Mitleidsbekundung der verantwortlichen Klinik oder des UKE gegeben hat.
  4. Wir klagen das UKE an, öffentlich und unter Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht ein stigmatisierendes Bild vom Verstorbenen als „aggressivem Kranken“ gezeichnet zu haben, um die Öffentlichkeit über die eigene Verantwortung für den Tod des Patienten zu täuschen.
  5. Wir klagen die Klinik für Intensivmedizin des UKE an, eine zeitnahe externe rechtsmedizinische Untersuchung und Dokumentation der Verletzungsfolgen trotz ausdrücklichem Hinweis unterlassen zu haben bzw. erst mehrere Tage später veranlasst zu haben.
  6. Wir klagen das Institut für Rechtsmedizin des UKE an, den Auftrag zur Obduktion in leitender Verantwortung von Herrn Prof. Dr. Klaus Püschel trotz Vorliegens eines offensichtlichen Interessenskonfliktes durch die Anstellung im Unternehmen UKE angenommen und durchgeführt zu haben. Darüber hinaus klagen wir Herrn Prof. Dr. Klaus Püschel und sein Obduktionsteam an, einen einseitig ausgerichteten Obduktionsbericht unter vollständiger Auslassung der Diskussion eines naheliegenden lagebedingten Erstickungstodes erstellt zu haben. Diese Unterlassung bestätigt den oben bereits angeklagten Interessenskonflikt sowohl fachlich als auch faktisch.
  7. Wir klagen die Staatsanwaltschaft Hamburg an, die Ermittlungen im Tötungsdelikt Tonou-Mbobda bis zum heutigen Tage ohne Erhebung einer Anklage verschleppt zu haben. Wir klagen die Staatsanwaltschaft weiter an, den Auftrag zur Obduktion an das Institut für Rechtsmedizin am UKE vergeben zu haben, obwohl ein Interessenkonflikt offensichtlich war. Die Beteiligung einer externen Rechtsmedizinerin unter der Leitung von Herrn Prof. Dr. Püschel war weder geeignet noch angemessen, diesen Interessenskonflikt zu beseitigen oder unwirksam zu machen.
  8. Wir klagen das UKE als Gesamtunternehmen an, die effektive Weiterbildung seiner Mitarbeiter*innen zu den Themenbereichen lagebedingter Erstickungstod sowie der S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde „Verhinderung von Zwang“ vom 10.09.2018 unterlassen zu haben. Anders ist sowohl das tödliche Vorgehen der Sicherheitsdienstmitarbeiter am 21.04.2019 gegen unseren Bruder Tonou-Mbobda, als auch die Einschätzungen von UKE-Mitarbeiter*innen zum angeblich „professionellen“ bzw. „angemessenen“ Vorgehen dieser Sicherheitsdienstmitarbeiter nicht zu erklären.
  9. Wir klagen das UKE als Gesamtunternehmen an, kein Interesse an der Bereitstellung von effektiven und geschützten Meldemöglichkeiten wegen rassistischer oder anderer menschenverachtender Vorkommnisse zu haben bzw. ein solches nicht den tatsächlichen Erfordernissen angepasst zu haben. Darüber hinaus klagen wir das UKE an, keinen verantwortungsvollen Mechanismus im Umgang mit medizinisch bedingten Todesfällen oder Schädigungen für Angehörige bereit zu halten, da dieses im vorliegenden Falle nachweislich unterblieben ist.
  10. Wir klagen das UKE als Gesamtunternehmen an, wenn überhaupt ein nur rudimentäres Verständnis von den institutionalisierten Wirkmechanismen von Rassismus und darüber hinaus eine absolut unangemessene Fehlerkultur offenbart zu haben. Das UKE war weder in der Lage angemessen mit dem Tod unseres Bruders Tonou-Mbobda noch mit den Hinterbliebenen und Freunden respektvoll und reflektiert umzugehen.

Unsere Forderungen zum ersten Todestag von Bruder Tonou-Mbobda:

Wir fordern das UKE auf, sich bei den Hinterbliebenen in angemessener und persönlicher Art und Weise für den Tod von William Tonou-Mbobda zu entschuldigen und die entstandenen Kosten für Überführung und Beerdigung des Leichnams zu erstatten.

Wir fordern die Staatsanwaltschaft Hamburg auf, die Anklage nun ohne weiteren Zeitverzug einzureichen bzw. zuverlässig zu erklären, wann eine solche Anklageerhebung stattfinden wird.

Wir fordern Menschen afrikanischer Herkunft auf, am heutigen Tag gemeinsam mit uns unserem Bruder William Tonou-Mbobda und seiner Familie zu gedenken. Wir fordern Euch auf, die Familie in ihrem Kampf für Aufklärung und Gerechtigkeit mit allen Kräften zu unterstützen und diesen Fall über die Grenzen von Deutschland hinaus insbesondere in Afrika bekannt zu machen.

Wir fordern die solidarische Zivilgesellschaft in Hamburg und ganz Deutschland auf, die Kämpfe der Black Communities in Deutschland für die Aufklärung von institutionalisierten Morden an Schwarzen und anderweitig rassifizierten Menschen anzuerkennen und zu unterstützen. Es ist Aufgabe der deutschen Mehrheitsgesellschaft den in ihr, ihren Behörden und Institutionen systemisch wirkenden Rassismus etwa durch Racial Profiling, Sondergesetze und Leistungseinschränkungen für Asylbewerber*innen oder vorurteilsbasierte Rechtsprechungen wirksam zu beenden.

Der gewaltsame Tod von Tonou-Mbobda ist kein Einzelfall!

Dass immer wieder Schwarze Menschen in der Verantwortung oder aufgrund von Verantwortungslosigkeit deutscher Institutionen und Behörden sterben müssen oder schwer verletzt und benachteiligt werden, ist leider bittere Erfahrung unserer Community auch hier in Hamburg seit vielen Jahren:

2001 verstarb Achidi John am Institut für Rechtsmedizin des UKE – er wurde durch das gewaltsame Einfüllen von Brechmittel durch Frau Prof. Dr. Ute Lockemann getötet…

2014 starb Francis Kwame auf den Straßen Hamburgs, nachdem er den Libyenkrieg 2011, die Flucht über das Mittelmeer und die Hoffnungslosigkeit von Italien überlebt hatte…

2016 starb Yaya Jabbi im Justizvollzug Hahnöversand in Hamburg. Die Gefängnisleitung teilte mit, dass sich Yaya selbst durch Erhängen in der Zelle getötet haben soll, obwohl es noch kurz vorher keinerlei Anzeichen dafür gab…

2017 wird der Ghanaer Obang A.A. von einem Zivilpolizisten angeschossen und und dann bis zum Eintreffen des Krankenwagens nach 15min+ später ohne jede Hilfeleistung einfach liegengelassen…

2019 stirbt William Tonou-Mbobda aufgrund einer rechtswidrigen, regelwidrigen und unangemessenen Zwangsfixierung vor der Psychiatrie am UKE…

…und für keinen dieser Toten oder Verletzten wurde bisher irgendjemand zur Verantwortung gezogen!

Touch ONE – Touch ALL

#JusticeForMbobda

Stop Killing Black People!

 

Black Community Coalition for Justice & Self-Defense

Kontakt: Sister Oloruntoyin (+49157-85508102) und Brother Mwayemudza (+49176-99621504)

Unterzeichner*innen:

Black Community Hamburg

African Communities Organizers

AKONDA eine Welt Cafe

Alafia – Africa Festival Hamburg

ARCA – Afrikanisches Bildungszentrum e.V.

ARRiVATi Hamburg

Asuiha / African Survival in Hamburg

Black History Month Hamburg

Black Media Group Germany

CECAM HH e.V. – Civil Engagement of Cameroonians in Hamburg

Initiative in Gedenken an Oury Jalloh

Initiative in Gedenken an Yaya Jabbi

ISD Hamburg – Initiative Schwarze Menschen in Deutschland

Lampedusa in Hamburg

Refugees4Refugees

Sisters in Struggle

The VOICE Refugee Forum

Tschoobé For Freedom Germany


#Justice4Mbobda

First anniversary of the death of Brother William Tonou-Mbobda – We charge!

Hamburg, 21 April 2020

We, the Black Community Coalition for Justice & Self-Defense, commemorate on this 21st of April 2020 our brother William Tonou-Mbobda, who was torn out of his young life by a brutal forced fixation by 3 employees of the security service KLE at the UKE Hamburg without a court order exactly one year ago. Our thoughts today are especially with the grieving relatives and friends, who until today have not been able to receive an apology or a comprehensible explanation.

Today we once again renew the promise of the Black Community Hamburg to the family of our murdered brother that we will do everything in our power to completely clear up the crime and bring justice.

Since the Hamburg public prosecutor’s office has not yet brought charges, the current status of the criminal prosecution is not comprehensible either to the family or to the public.

Therefore, on the first anniversary of his death, we hereby declare a substitute civil indictment of the following persons, institutions and conditions:

  1. We charge the violent security staff of the UKE subsidiary Klinik Logistik & Engineering GmbH of having collectively killed our brother Tonou-Mbobda on April 21, 2020 by fixing his arms on his back in a prone position and making him at least partially additionally burdened by their body weight. In doing so, they deliberately accepted the positional suffocation of the killed person.
  2. We charge the responsible ward physician of the UKE psychiatric ward of having unlawfully ordered the violent forced placement of brother Tonou-Mbobda without a court order for placement and of not having supervised him medically in the following. We charge her of not having taken seriously the reservations Tonou-Mbobda had about taking the prescribed medication because of a proven allergic reaction. In addition, the traumatic loss of his brother due to an allergic reaction to a drug would also have been a reason for offering an alternative treatment strategy. Furthermore, we charge her of not having diagnosed the serious congenital heart defect, which was later discovered during the forensic medical examination, during admission examination as to exclude underlying physical causes for his psychological distress.
  3. We charge the Clinic for Psychiatry and Psychotherapy at the UKE and the UKE as a whole of having never provided psychological assistance to the surviving dependents of Tonou-Mbobda, who died in their care. In addition, no personally comprehensible explanation was given to the family members as to how and why their son, brother and cousin had to die violently. We charge both for the fact, that up to this day there has been no expression of sympathy personally addressed or delivered to the family neither by the responsible clinic nor the UKE.
  4. We charge the UKE of having publicly and in violation of medical confidentiality drawn a stigmatizing picture of the deceased as an „aggressive patient“ in order to deceive the public about its own responsibility for the patient’s death.
  5. We charge the Clinic for Intensive Care Medicine of the UKE of having failed to carry out a prompt external forensic examination and documentation of the consequences of the injury despite explicit notification, or of having arranged for it several days later.
  6. We charge the Institute of Forensic Medicine of the UKE of having accepted and carried out the autopsy order under the leading responsibility of Prof. Dr. Klaus Püschel despite the existence of an obvious conflict of interest due to his employment with the company UKE. In addition, we charge Prof. Dr. Klaus Püschel and his autopsy team of having prepared a one-sided autopsy report with complete omission of the discussion of an obvious situation-related death by suffocation. This omission confirms the conflict of interest already accused above both technically and factually.
  7. We charge the public prosecutor’s office in Hamburg of having delayed the investigation into the Tonou-Mbobda homicide until today without bringing charges. We further charge the public prosecutor’s office of having awarded the contract for the autopsy to the Institute of Forensic Medicine at the UKE, although a conflict of interest was obvious. The involvement of an external forensic physician under the direction of Prof. Dr. Püschel was neither suitable nor appropriate to eliminate or render ineffective this conflict of interest.
  8. We charge the UKE as a whole of having failed to provide effective further training for its employees* on the subject of situation-related asphyxiation and the S3 guideline of the German Society for Psychiatry and Psychotherapy, Psychosomatics and Neurology „Prevention of Coercion“ dated 10 September 2018. There is no other explanation for the fatal action of the security service employees on 21.04.2019 against our brother Tonou-Mbobda, nor for the assessments of UKE employees* on the allegedly „professional“ or „appropriate“ action of these security service employees.
  9. We charge UKE as a whole of not having any interest in providing effective and protected reporting facilities for racist or other inhuman incidents or of not having adapted such reporting facilities to actual requirements. In addition, we charge UKE of failing to provide a responsible mechanism for dealing with medically-related deaths or injuries to relatives, as there is evidence that it failed to do so in this case.
  10. We charge the UKE as a whole of having revealed, if at all, only a rudimentary understanding of the institutionalised mechanisms of racism and, beyond that, an absolutely inappropriate culture of error. The UKE was neither capable to deal with the death of our brother Tonou-Mbobda appropriately, nor with the bereaved and friends in a respectful and reflective manner.

Our demands on the first anniversary of the death of Brother Tonou-Mbobda:

We request the UKE to apologize to the bereaved in an appropriate and personal manner for the death of William Tonou-Mbobda and to reimburse the costs incurred for the transfer and burial of the body.

We call on the Hamburg public prosecutor’s office to now file the indictment without further delay or to reliably state when such an indictment will take place.

We call on people of African origin to join us today in commemorating our brother William Tonou-Mbobda and his family. We ask you to support the family in their fight for enlightenment and justice with all your strength and to make this case known beyond the borders of Germany, especially in Africa.

We call upon the solidary civil society in Hamburg and throughout Germany to recognize and support the struggles of the Black Communities in Germany for the elucidation of institutionalized murders of blacks and other racialized people. It is the task of the German majority society to effectively put an end to the racism systemically active in it, its authorities and institutions, for example through racial profiling, special laws and restrictions on benefits for asylum seekers* or prejudicial legal decisions.

The violent death of Tonou-Mbobda is not an isolated incident!

The fact that time and again black people have to die in the responsibility or because of the irresponsibility of German institutions and authorities, or are severely injured and disadvantaged, is unfortunately a bitter experience of our community here in Hamburg for many years:

In 2001 Achidi John died at the Institute for Forensic Medicine of the UKE – he was killed by Prof. Dr. Ute Lockemann by forceful administration of an emetic…

In 2014 Francis Kwame died on the streets of Hamburg after surviving the Libyan war in 2011, the flight across the Mediterranean and the hopelessness of Italy…

Yaya Jabbi died in 2016 in the Hahnöversand prison in Hamburg. The prison authorities announced that Yaya killed himself by hanging himself in his cell, although there were no signs of this shortly before…

In 2017 the Ghanaian Obang A.A. is shot by a civilian policeman and then simply left without any help until the ambulance arrives only after 15min+ later…

In 2019 William Tonou-Mbobda dies due to an illegal, irregular and inappropriate coercive fixation in front of the psychiatric ward at UKE…

…and no one has yet been held accountable for any of these deaths or injuries!

Touch ONE – Touch ALL

#JusticeForMbobda

Stop Killing Black People!

 

Black Community Coalition for Justice & Self-Defense

Contact: Sister Oloruntoyin (+49157-85508102) and Brother Mwayemudza (+49176-99621504)

Signatories*:

Black Community Hamburg

African Communities Organizer

AKONDA – One World Cafe

Alafia – Africa Festival Hamburg

ARCA – African Education Centre e.V.

ARRiVATi Hamburg

Asuiha / African Survival in Hamburg

Black History Month Hamburg

Black Media Group Germany

CECAM HH e.V. – Civil Engagement of Cameroonians in Hamburg

Initiative in Remembrance of Oury Jalloh

Initiative in Remembrance of Yaya Jabbi

ISD Hamburg – Initiative Black People in Germany

Lampedusa in Hamburg

Refugees4Refugees

Sisters in Struggle

The VOICE Refugee Forum

Tschoobé For Freedom Germany

SYSTEM CHANGE NOW! – SYSTEMWECHSEL JETZT!

EN-DE

The failure to protect basic human rights of adults and children has not only started to fail with the outburst of the CoVid-19-pandemia – it moreover was an expectable consequence of systemic failure:

Politics of global warfare, predatory exploitation of natural resources and deterrence of subsequent refugees are re-created in a vicious circle of Western White supremacy and privilege ever since the never ending days of slavery and colonialism.

The emergency measures taken to combat the CoVid-19-pandemia are characterized by aggressive authoritarism in general and highly selective neglect against segregated communities specifically. Protective orders are subjected to the privileges of those who have the freedom to #keepdistance or even a home to #stayhome. Refugees in coercive mass accommodations and lagers or undocumented „illegalized“ refugees have by order of state no safe space of place to protect themselves, their families or others. They are once again systematically excluded from their human rights to protection.

Be it in German mass accommodations, the streets of Hamburg, Berlin, Paris or London or in Italy’s agricultural slums or in the lagers of Moria or Libya – the crucial access to hygiene and medical care is impared or suspended. Human made refugees are again deterred, excluded and segregated by the very same „human“ societies – the colonial continuities of systemic racism are stronger then ever when it comes to pandemic emergency protection.  

We neither need to wait nor to expect a treatment on eye level – we need to organize ourselves and build sustainable autonomous structures of self-care and solidarity. Social and medical care cannot be a matter of profit but only a shared responsibility by all of us. If we allow human lives to be devalued again, we reproduce the inhumanity and cruelties of colonialism and fascism under modern neoliberal labels.

The Corona pandemic is a challenge not only on humanitarian grounds but on a systemic level. Do we really want to continue as before? Do we really want to proceed on the track that brought us up to this point? Can we again stand aside and look when human lives are neglected and endangered, when human and civil rights are ignored and suspended, when financial risks are socialized and financial aids are privatized to secure profits and shareholder values? 

The self-organized refugee struggles of the 1990ies and the beginning of the 21st century have managed to repeal so called „Residenzpflicht“ and the lager system to a great extent. A decade later these struggles had been trans nationalized and allies started to set up international rescue teams in the Mediterranean Sea and supporter networks along the Balkan route of the neglected refugees from Middle East, Asia and Africa. The turning point came with the so called “Refugee Crisis” in 2015. All the achievements of the refugee self-defence have been turned back to even lower standards than before their struggles. The Reception centres (AnkER-Zentren) and camps (ZASt) have grown even larger and into prison industrial complex. The residential obligations have been tightened up and extended. Asylum procedures are now shortened and restricted – deportation procedures escalate – legal interventions are habitually excluded. On the other hand the states obligations have been socialized into a so called “Welcome Culture” reducing state spending to a deterring minimum. 

What is to expect from the ongoing “management of crisis” should be of no surprise to no one anymore after the “bankster crisis” of 2008. Billions of tax payers’ money will be poured into those big profit companies that just yesterday payed out millions to their boards of directors and shareholders while precarious businesses and working class people are left behind in debts. Not to talk of those who have been structurally “forgotten”, neglected, segregated and discriminated against – the blind eye for them still feels better than the violent abuse that for sure will crush down on them after lockdown Corona-Police will be fenced back into business as usual. 

It’s high time for change – to sincerely try substantial and solidary solutions. Arundhati Roy suggests seeing pandemics as portals or gateways for transition from this world to another possible one:

“We can choose to walk through it, dragging the carcasses of our prejudice and hatred, our avarice, our data banks and dead ideas, our dead rivers and smoky skies behind us. Or we can walk through lightly, with little luggage, ready to imagine another world. And ready to fight for it.”

Black Community Coalition for Justice & Self-Defense



Der mangelnde Schutz der grundlegenden Menschenrechte von Erwachsenen und Kindern hat nicht erst mit dem Ausbruch der CoVid-19-Pandemie zu scheitern begonnen und war darüber hinaus erwartbare Folge eines Systemversagens:
Die Politik der globalen Kriegsführung, der räuberischen Ausbeutung natürlicher Ressourcen und der Abschreckung hierdurch hervorgebrachten Flüchtlinge wird seit den nicht enden wollenden Tagen der Sklaverei und des Kolonialismus in einem Teufelskreis aus westlich-weißer Vorherrschaft und Privilegien immer wieder neu befeuert.  

Die zur Bekämpfung der CoVid-19-Pandemie ergriffenen Notfallmaßnahmen sind durch einen aggressiven Autoritarismus im Allgemeinen und eine gleichzeitig hochselektive Vernachlässigung segregierter Gemeinschaften im Besonderen gekennzeichnet. Dabei sind die Schutzmaßnahmen den Privilegien derjenigen orientiert, die überhaupt über die Freiheit verfügen, #Abstand zu halten oder sogar in einem eigenen #Zuhause zu bleiben. Flüchtlinge in Zwangsunterkünften und Lagern oder undokumentierte "illegalisierte" Flüchtlinge haben per staatlicher Anordnung eben keinen sicheren Ort, um sich selbst, ihre Familien oder eben andere schützen zu können. Sie werden wieder einmal systematisch von ihrem Menschenrecht auf Schutz ihrer Gesundheit ausgeschlossen.

Ob in deutschen Massenunterkünften, in den Straßen Hamburgs, Berlins, Paris oder Londons, ob in den landwirtschaftlichen Slums Italiens oder in den Lagern auf griechischen Insel oder in Libyen - der entscheidende Zugang zu Hygiene und medizinischer Versorgung ist massiv eeingeschränkt oder gar gänzlich aufgehoben. Von privilegierten Menschen gemachte Flüchtlinge werden von denselben "menschlichen" Gesellschaften abgewehrt, ausgeschlossen und vernachlässigt - die kolonialen Kontinuitäten des systemischen Rassismus sind heute dort stärker sichtbar denn je, wo es um den Pandemie-Notfallschutz geht.  

Wir können jetzt weder länger zusehen, noch eine Behandlung auf Augenhöhe erwarten - wir müssen uns neu organisieren und nachhaltige autonome Strukturen zur solidarischen Selbstversorgung aufbauen. Soziale und medizinische Versorgung darf nicht mehr länger nur eine Frage der Profitabilität sein, sondern muss als gemeinsame Verantwortung von uns allen wahrgenommen werden. Wenn wir es in der aktuellen Situation zulassen, dass Menschenleben erneut und wiederholt entwertet werden, reproduzieren wir die Unmenschlichkeiten und Grausamkeiten des Kolonialismus und Faschismus unter dem Deckmantel moderner neoliberaler Etiketten.

Die Corona-Pandemie ist nicht nur aus humanitären Gründen eine Herausforderung, sondern insgesamt auf systemischer Ebene. Wollen wir wirklich so weitermachen wie bisher? 
Wollen wir wirklich auf diesem Weg fortfahren, der uns bis an diesem Punkt gebracht hat? 
Können wir wieder nur daneben stehen und einfach zuschauen, wenn Menschenleben geopfert und gefährdet werden, wenn Menschen- und Bürgerrechte geknebelt und außer Kraft gesetzt werden, wenn finanzielle Risiken sozialisiert und staatliche Finanzhilfen privatisiert werden, um die Gewinne und Shareholder Values zu sichern? 

Die selbstorganisierten Flüchtlingskämpfe der 1990er Jahre und zu Beginn des 21. Jahrhunderts haben es geschafft, die so genannte Residenzpflicht und das Lagersystem weitgehend auszuhebeln. Ein Jahrzehnt später waren diese Kämpfe transnationalisiert und zivilgesellschaftliche Allianzen haben internationale Rettungsteams im Mittelmeer und Unterstützernetzwerke entlang der Balkanroute der vernachlässigten Flüchtlinge aus dem Nahen Osten, Asien und Afrika aufgebaut. Der Wendepunkt und Backlash kam mit der so genannten "Flüchtlingskrise" im Jahr 2015. Alle Errungenschaften der Flüchtlingsselbstverteidigung wurden auf noch niedrigere Standards zurückgeworfen als noch vor ihren Kämpfen. Die Aufnahmezentren (AnkER-Zentren) und Lager (ZASt / LEA) sind seitdem noch größer geworden und haben sich zu einem Gefängnis-Industriekomplex entwickelt. Die Residenzpflicht wurde erneut verschärft und sogar noch erweitert. Asylverfahren sind nun verkürzt und wesentlich eingeschränkt - Abschiebeverfahren werden eskaliert - rechtliche Interventionsmöglichkeiten gewohnheitsmäßig ausgeschlossen. Auf der anderen Seite wurden die staatlichen Verpflichtungen zu einer so genannten "Willkommenskultur" sozialisiert, die die Staatsausgaben auf das notwendig abschreckende Minimum reduziert. 

Was von der laufenden "Krisenbewältigung" zu erwarten ist, dürfte nach der "Bankster-Krise" von 2008 nun niemanden mehr überraschen. Milliarden von Steuergeldern werden an genau jene großen Profit-Unternehmen fließen, die erst gestern noch Millionen an ihre Vorstände und Aktionäre ausbezahlt haben, während prekäre Unternehmen und Menschen aus der Arbeiterklasse verschuldet zurückbleiben. Ganz zu schweigen von denjenigen, die strukturell "vergessen", vernachlässigt, ausgesondert und diskriminiert werden – ihre „Unsichtbarkeit“ dürfte sich für sie immer noch „besser anfühlen“ als der gewalttätige Missbrauch, der nach der aktuellen Abschottung durch die Corona-Polizei mit Sicherheit über sie hereinbrechen wird, wenn wieder zur rassistischen Tagesordnung übergegangen und „Versäumtes“ nachgeholt werden muss. 

Es ist allerhöchste Zeit für Veränderungen - um wirklich nachhaltige und solidarische Lösungen zu suchen. 
Arundhati Roy hat vorgeschlagen, Pandemien als Portale oder Gateways für den Übergang von dieser Welt in eine andere mögliche Welt zu sehen:
"Wir können uns dafür entscheiden, hindurchzugehen und die Kadaver unserer Vorurteile und unseres Hasses, unserer Habgier, unserer Datenbanken und toten Ideen, unserer toten Flüsse und des rauchigen Himmels hinter uns her zu schleifen. Oder wir können leicht und mit wenig Gepäck durch sie hindurchgehen, bereit, uns eine andere Welt vorzustellen. Und bereit, dafür zu kämpfen.”

Black Community Coalition for Justice & Self-Defense

Offene Anfrage der Black Community Hamburg anlässlich der Wahl zur Hamburger Bürgerschaft 2020

Hamburg, den 10. Februar 2020

Liebe Schwestern und Brüder,

für alle die, die sich an der Bürgerschaftswahl für Hamburg nächste Woche beteiligen wollen, haben wir verschiedenen Parteien einen Fragenkatalog mit Fragen zugeschickt, die für uns als Black Community von besonderer Bedeutung sind. Die Antworten – so sie denn gegeben werden – werden wir dann ebenfalls hier auf unserer Homepage veröffentlichen…

An ausgewählte kandidierende Parteien:

Um den wahlberechtigten Mitgliedern unserer Communities eine nachhaltige Wahlentscheidung zur anstehenden Bürgerschaftswahl zu erleichtern, bitten wir Ihre Partei um die Beantwortung der folgenden Fragen-Komplexe, die wir unter Berücksichtigung der Empfehlungen im Bericht der UN-Experten-Gruppe für Menschen afrikanischer Herkunft nach deren Deutschland-Besuch 2017 (https://documents-dds-ny.un.org/doc/UNDOC/GEN/G17/238/67/PDF/G1723867.pdf?OpenElement S.13ff) zusammengestellt haben:

  • 1. Welche strukturellen Diskriminierungsformen aufgrund von Herkunft, Nationalität, Hautfarbe oder Kolonialgeschichte sind Ihrer Partei in welchen Teilbereichen behördlichen Wirkens bekannt und welche konkreten Maßnahmen unternimmt Ihre Partei, um solche verfassungsrechtlich relevanten Menschenrechtsverletzungen effektiv zu unterbinden?
  • 2. Wie gedenkt Ihre Partei die Erfassung institutioneller Diskriminierungen im Hamburger Behördenalltag zu etablieren und wie sollen die jeweils Betroffenen nach der Vorstellung Ihrer Partei in eine solche Erfassung und Evaluierung eingebunden werden?
  • 3. Welche konkreten Beiträge leistete bzw. plant Ihre Partei zur Umsetzung der UN-Dekade für Menschen afrikanischer Herkunft 2015-2024 zu leisten?
  • 4. Wie gedenkt Ihre Partei strukturellen Benachteiligungen von Menschen afrikanischer Herkunft beim Zugang zu angemessenem und bezahlbarem Wohnraum und insbesondere bei Kindeswohlgefährdungen durch Zwangsmaßnahmen wie Familientrennungen, Zwangsverteilungen und voreiligen Inobhutnahmen wirksam entgegenzutreten?
  • 5. Welche Maßnahmen erachtet Ihre Partei als notwendig, um im Diskurs über die historische Verantwortung der Hansestadt im Rahmen kolonialer Verbrechen, Bereicherungen und Kontinuitäten mehr allgemein-öffentliche Wahrnehmung und Partizipationsmöglichkeiten für Betroffene zu ermöglichen?
  • 6. Ethnische und intersektionale Mehrfachdiskriminierungen (be)treffen besonders Menschen afrikanischer Herkunft sowohl im Alltag, als auch durch institutionelles Handeln von Behörden und öffentlichen Einrichtungen. Andererseits besteht gesamtgesellschaftlich eine hohe Abwehrneigung gegen die bloße Benennung von Ungleichbehandlungen auf der Grundlage stereotyper Vorurteile und mangelnder interkultureller Kompetenz. Welchen konkreten politischen Handlungsbedarf sieht Ihre Partei bei der Wahrnehmung, Anerkennung und Eindämmung rassistischer Diskriminierungen, dem Schutz insbesondere Schwarzer Frauen und Kinder vor Gewalterfahrungen und dem gleichberechtigten Zugang von Menschen afrikanischer Herkunft zu Bildung, Teilhabe und juristischer Gleichbehandlung?
  • 7. Wie verhält sich Ihre Partei zu der hohen Anzahl von polizeilichen Kontrollmaßnahmen gegen Menschen afrikanischer Herkunft – insbesondere in den sog. „Gefahrengebieten“, in denen die Polizeibeamten doch angeblich JEDEN Menschen „anlasslos“ kontrollieren dürften und welche Maßnahmen zur objektivierbaren Evaluation solcher Eingriffe in die Grund- und Menschenrechte der Betroffenen sollten nach Meinung Ihrer Partei hierzu eingeführt werden?
  • 8. In Fällen von schweren körperlichen Verletzungen und Todesfällen im Zusammenhang mit polizeilichen oder institutionellen Zwangsmaßnahmen und Freiheitsentziehungen bestehen aktuell keinerlei nachvollziehbare statistischen Erhebungen (vgl. hierzu Drucksache 21/19348 der Bürgerschaft Hamburg vom 7.1.20 https://www.buergerschaft-hh.de/parldok/dokument/69062/todesfaelle_im_zusammenhang_mit_polizeilichen_massnahmen.pdf). Welche Form der Dokumentation, Evaluation und Fehlerkultur zur Verhinderung dadurch vermeidbarer Todesfälle hält Ihre Partei für zwingend erforderlich?
  • 9. Wie steht Ihre Partei zur grundsätzlichen Einbeziehung unabhängiger zivilgesellschaftlicher Experten und Organisationen in Fällen wie unter Punkt 7 ausgeführt, die insbesondere die bis dato strukturell nicht berücksichtigten Fragen und Interessen von Hinterbliebenen und Betroffenen vertreten?
  • 10. Nach dem gewaltsamen Tod von William Tonou-Mbobda Ende April 2019 und weiteren Todesfällen im Zusammenhang mit Zwangsfixierungen insbesondere von Menschen in psychischen Ausnahmesituationen fragen wir Ihre Partei, mit welchen konkreten Strategien sie solchen vermeidbaren Todesfällen zukünftig entgegentreten wollen?
  • 11. Wie positioniert sich Ihre Partei ganz grundsätzlich zu Zwangsbehandlungen und Zwangsfixierungen in der Psychiatrie – insbesondere unter Hinzuziehung von medizinisch nicht ausgebildetem Sicherheitspersonal – und welche Rahmenbedingungen würde Ihre Partei verändern, um solchen Behandlungszwang zu überwinden?
  • 12. Trotz der bekannten Risiken und Gefährdungen für Leib und Leben durch staatliche und nicht-staatliche Akteure in den Herkunftsländern von Geflüchteten aus dem Afrikanischen Kontinent ist die Anerkennungsquote dieser Gefahrenaspekte in deren Asylverfahren unterdurchschnittlich niedrig. Neben diesen formalisierten Anerkennungsverweigerungen gibt es alleine in Hamburg geschätzte 20.000 illegalisierte Menschen ohne Dokumente, deren Notlagen in illegalen Arbeitsmarktsektoren unmenschlich ausgebeutet werden. Welche Lösungsvorschläge zur Umsetzung von Gleichbehandlung im Asylverfahren, zur Legalisierung illegalisierter Menschen, zur Integration beider Personengruppen in den regulären Arbeitsmarkt und für deren gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben hat Ihre Partei anzubieten?

Wir bedanken uns für Ihre Antworten und Stellungnahmen.

Touch ONE – Touch ALL!

Black Community in Hamburg

PDF: 2020-02-10_Offene Anfrage zur Wahl zur Hamburger Bürgerschaft 2020

18. Todestag von Achidi John und die Parallelen zu dem Tod von Tonou Mbobda

Gestern jährte sich der #Todestag von Bruder #AchidiJohn zum 18. mal. #RIP

Der gewaltsame Folter-Tod von Bruder Achidi John weist viele Parallelen zum Tod von Bruder Tonou-Mbobda auf. Achidi wurde am 8.12.2001 am Morgen durch Zivilfahnder in St. Georg festgenommen und zur Brechmittel-Folter in die Rechtsmedizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf verbracht.
Hier einige Quellen zum Vergleichen der Faktenlagen, handelnden Personen und staatlichen Vertuschungsstrategien:

>>Dort sollte er “zum Zweck der Beweissicherung” zum Erbrechen gebracht werden. Aus Angst vor dem, was an ihm vollzogen werden sollte, brach Achidi John schon beim Anblick des Behandlungsraums zusammen. Die Polizisten schleiften in den Raum. Er wehrte gegen die Einnahme des Brechmittels und schrie: “I will die, I will die!”. Daraufhin drückten mehrere Beamte den gefesselten Achidi John fest auf den Boden des Untersuchungsraumes. Zweimal schlug der Versuch, ihm stochernd eine Magensonde einzuführen, fehl. Beim dritten Mal gelang es der Ärztin Ute Lockemann, die Sonde durch die Nase einzuführen. Doch währenddessen verkrampfte sich sein Körper, ernässte ein und blieb reglos liegen.
„Eigentlich keine ungewöhnliche Reaktion“,verharmloste der Leiter des Institutes, Professor Klaus Püschel, später die Situation: Die Ärztin hatte ihn mindestens einige Minuten liegen lassen, ohne Wiederbelebungsversuche zu unternehmen. Sie deutet dies als “Simulation”. Es dauerte noch mehrere Minuten, bevor zunächst eine Studentin stutzig wurde, und dann die Ärztin Rettungsmaßnahmen einleitete.<<
(Quelle: http://akl-hamburg.de/…/%ef%bb%bfvor-10-jahren-tod-durch-b…/)

Anmerkung: Prof. Dr. Ute Lockemann ist heute Oberärztin an der Rechtsmedizin am UKE unter Prof. Dr. Klaus Püschel
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>>Schon Anfang der 90er- Jahre hatten Hamburgs Drogenfahnder und Staatsanwaltschaft über den Einsatz von Brechmitteln zur Beweissicherung diskutiert, die Expertenmeinung von Prof. Klaus Püschel eingeholt. Am 22. August 1991 hatte dieser unmissverständlich erklärt, es dürfe beim Verdacht des Schmuggels von Drogen im Körper keinesfalls ein Erbrechen erzwungen werden.
Zitat Püschel: „Es besteht beim Erbrechen eine nicht unerhebliche Gesundheitsgefährdung z.B. durch Verletzung der Speiseröhre oder Einatmung von Erbrochenem.“
Im Sommer 2001 dann der Sinneswandel des Gerichtsmediziners. Als der damalige Innensenator Olaf Scholz (SPD) die Felle davon schwimmen sah, setzte er kurzerhand die Schill’sche Forderung nach einer härteren Drogenbekämpfung inklusive Brechmitteln um. Und der einstige Bedenkenträger Püschel leistet seitdem tatkräftig Unterstützung.

Indes wächst die Zahl der Stimmen derer, die ein Ende zumindest der gewaltsamen Verabreichung des mexikanischen Kaktussirups Ipecacuanha fordern. Ärztepräsident Frank Ulrich Montgomery spricht Klartext: „Der Senat muss aufhören, Menschen mit Gewalt umzubringen.“<<
(Quelle: MoPo vom Todestag am 12.12.01 https://www.mopo.de/uke-arzt-lehnte-das-brechmittel-frueher…)
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>>„Unmittelbarer Zwang heißt: Er wird von Polizeibeamten auf den Stuhl gedrückt, der Kopf wird festgehalten, das Brechmittel wird an die Lippen gehalten. Wenn der Beschuldigte sich weigerte zu trinken, wurde in einigen Fällen das Mittel mit der Sonde durch die Nase in den Magen eingeführt“, sagt Professor Klaus Püschel, Leiter der Hamburger Gerichtsmedizin.
„Die Verabreichung von Brechmittel“, so Püschel, „ist medizinisch nicht gefährlich. Ich würde es auch meinen Kindern geben, falls die Drogen genommen hätten.“

Der 23-jährige Nigerianer Achidi John wehrte sich verzweifelt gegen das Einführen der Sonde, warf sich laut Zeugenaussagen auf den Boden und rief auf Englisch: „Ich werde sterben, ich werde sterben.“ Die Ärztin, eine Mitarbeiterin von Professor Püschel, legte trotzdem die Magensonde. Der Mann starb. „Er hatte eine Herzkrankheit, die wir bei einer normalen Untersuchung gar nicht hätten diagnostizieren können“, sagt Püschel.<<
(Quelle: https://www.hinzundkunzt.de/das-ende-der-brechmittel-ara/)
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>>Strafrechtlich wurde die Hamburger Rechtsmedizinerin Ute Lockemann nie zur Rechenschaft gezogen. Die Obduktion hatte ergeben, dass John an einem Hirntod aufgrund von Sauerstoffmangels gestorben ist, der durch einen Herzstillstand verursacht wurde. Die Rechtsmediziner attestierten dem Toten einen Herzfehler.

Die Staatsanwaltschaft stellte das Vorermittlungsverfahren ein. Und auch ein Klageerzwingungsverfahren, das die Hamburger Anwältin Gabriele Heinecke für die Angehörigen angestrengt hatte, bleib erfolglos, trotz der Ächtung des Brechmitteleinsatzes durch den EGMR.<<
(Quelle: https://taz.de/Brechmitteleinsatz-in-Hamburg/!5143440/)
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>>Achidi Johns Tod sei wegen einer bestehenden Herzerkrankung „schicksalhaft“ gewesen, begründete die zuständige Staatsanwaltschaft in Hamburg später ihre Entscheidung, keine Ermittlungen gegen die Verantwortlichen aufzunehmen. Johns Eltern strengten ein Erzwingungsverfahren an. Der Antrag wurde abgelehnt, weil die Staatsanwaltschaft den Beteiligten, ohne sie anzuhören, einfach unter dem Motto „denn sie wissen nicht, was sie tun“, einen entlastenden „Verbotsirrtum“ zugestand. „Eine ebenso absurde wie konstruierte Unterstellung“, meint Rechtsanwalt Martin Klingner, der mit dem Fall befasst war. „Juristisch ist so ein Vorgehen nicht erklärbar. Hier fehlte schlichtweg der politische Wille, tätig zu werden.“<<
(Quelle: https://www.hintergrund.de/…/denn-sie-wissen-nicht-was-sie…/)
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>>Dass der Eindruck habe entstehen können, beim Einsatz von Brechmitteln handele es sich um eine „alltäglich anzuwendende abschreckende Strafe statt um notwendige Beweissicherung“, das ertrage er nicht. So begründete der Leiter des Hamburger Landeskriminalamtes am 16. Januar 2002 das Rücktrittsgesuch an seinen Vorgesetzten. Wenige Tage zuvor war der 19-jährige Achidi John an den Folgen eines solchen Brechmitteleinsatzes gestorben.

Folter zur Sicherung von Beweismitteln?

Zusammenfassend ist zu konstatieren, dass der zwangsweise Brechmitteleinsatz zur Erlangung von Beweismitteln in Form von verschluckten Drogenportionen in vielerlei Hinsicht rechtswidrig ist: Die Voraussetzungen des § 81a Absatz 1 StPO liegen nicht vor. Weder kann festgestellt werden, dass eine Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens über die Untersuchungsdauer hinaus ausgeschlossen ist. Schon gar nicht kann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass der Brechmitteleinsatz gesundheitlich unbedenklich sei – insbesondere dann nicht, wenn das Mittel mithilfe einer Magensonde gewaltsam eingeflößt wird. In Betracht käme die Verabreichung eines Brechmittels allenfalls dann, wenn es tatsächlich freiwillig geschluckt würde. Weigert sich der Betroffene, so ist der Brechmitteleinsatz ausnahmslos unzulässig.

„Beweismittel unter Qualen aus einem Körper zu holen, hat etwas von Folter“, sagt Bernd Kalvelage von der Hamburger Ärzteopposition.[28] Und mit einer solchen rechtsethischen Bewertung liegt der Mediziner vermutlich noch ein wenig näher am Kern der hier behandelten Problematik als die zitierten juristischen Ausführungen.<<
(Quelle: https://www.cilip.de/…/etwas-von-folter-toedlicher-brechm…/…)

Nachklapp Informationsveranstaltung 24.11.2019 – Teil 2

Der gesundheitspolitische Sprecher der Bürgerschaftsfraktion Die Linke, Deniz Çelik hat über den Umgang mit dem Todesfall Tonou Mbobda und Zwangsbehandlungen im Gesundheitsausschuss der Bürgerschaft und die Antworten auf Kleine Anfragen seiner Fraktion berichtet.

Zum Audio gelangt ihr über freie-radios.net

Anbei die bisher eingereichten kleinen Anfragen an den Senat der Hansestadt Hamburg im Überblick:

Hamburger Bürgerschaft Drucksache 21/18254 von DIE LINKE, Deniz Celik – Tod eines Psychiatriepatienten im UKE (IV)

Hamburger Bürgerschaft Drucksache 21/18227 von DIE LINKE, Deniz Celik – Tod eines Psychiatriepatienten im UKE (III)

Hamburger Bürgerschaft kleine Anfrage DIE LINKE Deniz Celik – Situation in den stationären Psychiatrien und bei der psychiatrischen Drucksache 21/17684 Versorgung– Monitoring, Zwangsmaßnahmen, Patienten-/-innensicherheit und Patienten-/ nnenrechte

Hamburger Bürgerschaft – Drucksache 21/17112 – Tod eines Psychiatriepatienten (II) von DIE LINKE

Hamburger Bürgerschaft – Drucksache 21/17080 – Tod eines Psychiatriepatienten im UKE von DIE LINKE

weitere kleine Anfragen:

Hamburger Bürgerschaft – Drucksache 21/17059 – Todesfall eines Psychiatrie-Patienten im UKE – Wie ist der aktuelle Stand? von der FDP

Hamburger Bürgerschaft – Drucksache 21/17150 – kleine Anfrage von Nebahat Güçlü (fraktionslos) – Hamburgs Umgang mit psychisch auffälligen Menschen

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